Beteiligung zum Anfassen
23.10.2025
Klimakieze: Spaghettifest im Antonkiez
Wenn Beteiligung ausschließlich über Text und Sprache passiert, erreichen wir dann wirklich alle? Diese Frage stellt Art Fellow Julika Gittner und hat während ihrer Zeit am RIFS mit dem Team des Forschungsprojekts „Kiezblocks als modulare sektorenübergreifende Anpassungsstrategie an den Klimawandel" an diesem Thema zusammengearbeitet.
Die Besonderheit daran ist, dass Julika Gittner, Architektin und Künstlerin, mit einer künstlerischen Herangehensweise einen zusätzlichen Zugang zur Bevölkerung bereiten möchte: So erschafft sie Skulpturen aus recycelten Materialien, wie alten Matratzen, Strümpfen, Decken und farbigen Plastiktüten, eben Dingen, die jeder und jede aus dem Alltag kennt. Manche dieser Objekte dienen der Vermittlung technischer Begriffe, deren Verständnis bei der Beteiligung zur Umgestaltung des Kiezes ausschlaggebend sind, wie zum Beispiel ‘Kiezblock‘ oder ‘Modalfilter’. Andere laden zur Interaktion ein um individuelle Erfahrungen, Wünsche und Anforderungen an den geplanten öffentlichen Raum zu repräsentieren.
Dieses Konzept setzte sie kürzlich im Berliner Stadtteil Wedding bei der Eröffnung einer neuen Fußgängerzone in der Maxstraße im Antonkiez ein. Dort wurden die Anwohnenden eingeladen, auf einem großformatigen Modell der Straße aus recycelten Matratzen Platz zu nehmen und mit Objekten zu spielen, die die unterschiedlichen Anforderungen und Nutzungsmöglichkeiten des neu entstandenen Platzes repräsentieren.
Medien
Julika Gittner über ihr künstlerisches Projekt am Antonkiez
Zum Kiez: Als Teil einer Reihe von verkehrsberuhigenden Maßnahmen wurde als erstes ein Abschnitt der Maxstraße wurde zwischen Antonstraße und Schererstraße durch den Einsatz von Quersperren in eine Fußgängerzone umgewandelt. Diese sogenannten Modalfilter verhindern die Durchfahrt von Autos, damit sich die Verkehrssicherheit erhöht und Aufenthaltsflächen entstehen.
Zur Künstlerin: Das Forschungsprojekt rund um Berliner Klimakieze will die Nachbarschaft direkt am Entscheidungsprozess zur Umgestaltung des Kiezes beteiligen. Julika Gittners Idee ist es, Menschen vor Ort zusätzlich zu Formaten wie einem Nachbarschaftsrat oder einer Informationsveranstaltungen über interaktive Kunstwerke, die visuelles und haptisches Erfahren, Selbst-Gestalten und Neu-Formieren von Informationen und Daten ermöglichen, in den Prozess mit einzubinden. Gittner sieht ihre interaktiven Objekte als zusätzliche Kommunikationsmittel, durch die andere Zielgruppen wie zum Beispiel Kinder und Jugendliche angesprochen und in die Gestaltung ihrer Umgebung eingebunden werden können.
Mit dem Bezirksamt Berlin-Mitte hat die RIFS Forschungsgruppe Ko-Kreation in Demokratischer Praxis, mit der Gittner während ihres Fellowships kooperierte, neuartige Herangehensweisen zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an so genannten Kiezblocks zu Verkehrsberuhigung und Klimaanpassung ausprobiert und erforscht. Dazu zählt auch der Künstlerische Aktionstag ‘Wir sind der Antonkiez‘ Anfang April 2025, bei dem Gittner folgende Aktion verfolgt hat:
Fellow Julika Gittner präsentierte eine großformatige, interaktive Skulptur aus verschiedenfarbigen Objekten, die Teilnehmende dazu einlud, den Verkehrsfluss von Autos, Radfahrenden und Fußgängern vor und nach der geplanten Maßnahme spielerisch nachzubauen. Seitlich waren vier, aus alten Matratzen geschnittene Skulpturen ausgestellt, die den Stadtplan des Antonkiezblocks im Kontext der drei angrenzenden Kiez-Blöcke zeigen (Brüsseler-, Sprengel- und Malpaquet-Kiez).
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Die Erfahrung: Der Aktionstag im April wurde in Zusammenarbeit mit Sebastian Matthias von der Frankfurt University of Applied Sciences und dem Quartiersmanagement Pankstraße konzipiert. Drei unterschiedliche künstlerische Formate von Julika Gittner, dem U8-Kollektiv und Studierenden der Hochschule für Angewandte Wissenschaften sorgten für Aufmerksamkeit und luden zum Mitmachen und Verweilen ein. So ergaben sich Möglichkeiten, mit Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft längere Gespräche über ihre Eindrücke, Wünsche und Probleme zu führen.
Viele Teilnehmende hatten noch nicht von den Maßnahmen gehört, manche hatten detailliertes Vorwissen. Die meisten Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner waren interessiert an einer Teilnahme am Gestaltungsprozess, die meisten konnten sich vorstellen aktiv zur Umgestaltung der neuen Orte im Kiez beizutragen.
Doch nun nochmals zurück zum Spaghettifest am Antonkiez mit der langen Tafel, die zum Essen und Plaudern einlud. Die Skulpturen aus recycelten Materialien von Julika Gittner waren ein echter Hingucker und vor allem die ganz Kleinen aus der Nachbarschaft fanden das offensichtlich großartig und hatten ihren Spaß daran – und so ganz nebenbei kann dann der ein oder die andere mit Informationen versorgt werden, es entspannen sich Gespräche und mit dem Anfassen-Können der Skulpturen entsteht eine ganz andere Vorstellungskraft, was die Veränderung im heimischen Kiez so mit sich bringt.

