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Headline: Wie sozial akzeptiert ist autonomes Fahren?

Weltweit wird der Einsatz von autonomen Fahrzeugen erprobt wie etwa selbstfahrende Mülllaster, städtische Warentransporte oder öffentliche Busse. Neben der Technik geht es jedoch auch darum, ob und wie autonomes Fahren in der Gesellschaft akzeptiert wird. Eine neue Studie von Forschenden des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) und der Universität für Technologie und Design in Singapur (SUTD) erläutert anhand des Beispiels Singapur, worauf bei Einführung des autonomen Fahrens in Städten geachtet werden sollte.

So könnte autonomes Fahren einmal aussehen
So könnte das Autonome Fahren künftig aussehen. Shutterstock/ Suwin

Der Einsatz von autonomen Fahrzeugen (AF) im öffentlichen Verkehr ist ein Plan für viele Städte, weil AF als integraler Bestandteil von Smart Cities angesehen werden, welche die urbane Mobilität bequemer, effizienter und nachhaltiger machen. Derzeit sind selbstfahrende Varianten weltweit in der Erprobung - von den Niederlanden, den USA, Großbritannien, Schweden, Deutschland bis nach Japan, um nur einige zu nennen (siehe: https://imoveaustralia.com/smart-mobility-projects-trials-list/) . Während jedoch die Weiterentwicklung autonomer Fahrzeuge rasch vorangeschritten ist, hinkt unser Verständnis der sozialen Dimensionen hinterher. Infolgedessen sind Gesellschaften - selbst wenn AF realisierbar wäre - möglicherweise noch nicht bereit, selbstfahrende Fahrzeuge zu akzeptieren und anzunehmen.

„In unserem Artikel werfen wir einen tieferen Blick auf die Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger von autonomen Fahrzeugen in Singapur“, erklärt Erstautor Jude Kurniawan vom IASS. „Wir wollen besser verstehen, wie AF-Technologien und Mobilitätsplattformen angenommen und erfolgreich eingesetzt werden könnten.“ Und Singapur hat früher als andere Städte mit Tests dieser Technologie begonnen.

Was bedeutet autonomes Fahren?

„Autonomes Fahren“ steht für Technologien, welche die Kontrolle über Fahrzeuge übernehmen, die sonst ein Mensch am Steuer durchführen würde. Dazu gehören nicht nur fahrzeuginterne, sondern ebenso externe Technologien, die dem Fahrzeug helfen, zu navigieren und die Umgebung wahrzunehmen: Lidar- (steht für Light Detection and Ranging und nutzt Lichtwellen zur Abstandsmessung) und Radarsensoren (steht für Radio Detection and Ranging und misst über Frequenzen Geschwindigkeit und Abstände) sowie Videokameras, die die Umgebung überwachen.

Für die Navigation sind autonome Fahrzeuge außerdem mit GPS ausgestattet und zusammen mit weiteren Komponenten des Onboard-Navigationssystems kennen die Fahrzeuge ihre Position. Ein Zentralrechner an Bord verarbeitet alle Sensoreingaben und steuert Fahrfunktionen wie Lenken, Beschleunigen und Bremsen.

Es gibt sechs Automatisierungsstufen: Stufe 0 ist ein vollständig manueller Modus, in dem der oder die Fahrende die Kontrolle über das Fahrzeug hat. Die Stufen 1 und 2 stehen für automatische Funktionen zur Unterstützung der Fahrenden. Beispiele dafür sind der Tempomat und die Spurwechselerkennung.

Bei den Automatisierungsstufen 3 und 4 übernimmt das autonome Fahrzeug in bestimmten Teilen der Fahrt die volle Kontrolle über das Fahrzeug, aber der Eingriff des Fahrenden ist in komplexen Situationen von Zeit zu Zeit erforderlich. Auf Stufe 5 übernimmt das Fahrzeug die volle Kontrolle. Beim vollständig autonomen Fahren sind die Fahrzeuge so programmiert, dass sie die Umgebung scannen, die Verkehrsbedingungen verstehen und Entscheidungen in Bezug aufs Manövrieren und die Route treffen. Hierunter fallen auch Technologien für vernetzte Fahrzeuge. Da diese im vollautonomen Modus viele komplexe Entscheidungen treffen müssen, die eine bessere Kenntnis der Standorte anderer Fahrzeuge sowie der Straßen- und Verkehrsbedingungen anhand der von der Straßeninfrastruktur gesendeten Informationen wie etwa Ampeln und Schildern erfordern, sind sie sowohl von Fahrzeug-zu-Fahrzeug vernetzt als auch von Fahrzeug-zu-Infrastruktur.

Wie bereit sind die Menschen für autonomes Fahren?

Die Studie zitiert einen im Juli 2020 veröffentlichten Index, der eine Handvoll Länder mit einem hohen Grad an Bereitschaft zur Implementierung von AF identifiziert: Singapur belegt den ersten Platz vor den Niederlanden und Norwegen. Singapur liegt ebenso bezüglich Politik und Gesetzgebung sowie Verbraucherakzeptanz an erster Stelle.

Ranking autonomes Fahren Städte
Die folgenden Faktoren wurden berücksichtigt: Politik und Gesetzgebung, Technologie und Innovation, Infrastruktur und Verbraucherakzeptanz. KPMG

In Bürgerdialogen wurde mit Einwohnerinnen und Einwohnern verschiedener Städte zur Zukunft der selbstfahrenden Mobilität diskutiert. Die Ergebnisse der Workshops deuten darauf hin, dass die Einwohner Singapurs dem autonomen Fahren sehr positiv gegenüberstehen. Tatsächlich stehen die Singapurer diesem Thema aufgeschlossener gegenüber als die Bevölkerung in Europa und Nordamerika. Die Bürgerinnen und Bürger Singapurs sind optimistischer in Bezug auf autonome Mobilität (74 Prozent) als Europäer (56 Prozent) und Nordamerikaner (60 Prozent).

Was erwarten die Menschen vom autonomen Fahren?

In Fokusgruppendiskussionen fanden Forschende in Singapur heraus, dass sich die Erwartungen aus den aktuellen Herausforderungen der Menschen im Umgang mit bestehenden Verkehrssystemen ableiten lassen. So äußerten die Teilnehmenden etwa, dass der Besitz eines Autos teuer sei und die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb der Stadt zu lange dauere. Fazit: In Singapur wünschen sich die Menschen daher kostengünstigere, zuverlässigere und effizientere Verkehrsmittel als die bestehenden. Da das vorhandene öffentliche Verkehrssystem in Singapur bereits einen hohen Standard aufweist, würden die Singapurer entsprechend hohe Erwartungen an selbstfahrende Technologien haben.

Singapur diente als Beispiel, so das Autorenteam der Publikation, um zu verstehen, wie autonomes Fahren in Städten eingeführt werden könne. Die daraus gezogenen Erkenntnisse und Lehren seien anwendbar und zu berücksichtigen, wenn Städte ihre eigenen AF-Einsätze planen. Vor allem die soziale Akzeptanz von selbstfahrenden Fahrzeugen sei zu berücksichtigen, die Fragen zu sozioökonomischen, -technischen, -kulturellen und -politischen Aspekten des täglichen Lebens aufwerfe.

Publikation:
Jude H. Kurniawan, Samuel Chng and Lynette Cheah: The Social Acceptance of Autonomous Vehicles, IEEE Potentials, Vol. 40, no. 4, pp. 39-44, July 2021. DOI: 10.1109/MPOT.2020.2991059.