Overline: Nationale Klimaschutzbeiträge
Headline: Die Kernkonflikte neuer internationaler Marktmechanismen

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Die Emissionen von Treibhausgasen müssen drastisch reduziert werden. Shutterstock/ hfuchs

Die unter dem Pariser Abkommen festgelegten nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) vieler Länder sind an konkrete Voraussetzungen geknüpft. Damit hängt das Erreichen des 1.5°C-Ziels am Erfolg einer Neuausrichtung der Klimafinanzierung. In diesem Zusammenhang wurden viele Hoffnungen auf neue Marktmechanismen geknüpft. Dennoch waren Kernpunkte des neuen CO2-Handelssystems auf der UNFCCC in Bonn stark umstritten, nicht zuletzt aufgrund ihrer politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen.

Gesucht: eine doppelte Neuausrichtung der Energiefinanzierung

Bis 2030 werden fast 110 Milliarden US-Dollar pro Jahr benötigt, um die Ziele der NDCs im Bereich der erneuerbaren Energien zu erreichen. Dies erfordert eine radikale Verlagerung der Energiefinanzierung in zwei Schlüsselbereichen: Zum einen müssen Finanzströme von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umgelenkt werden; zum anderen muss der Schwerpunkt der Investitionen in saubere Energien von Nordamerika, Europa und China in die Länder des globalen Südens verlagert werden.
 
Im Jahr 2017 erhielten die Entwicklungsländer nur elf Prozent des Investitionsvolumens in erneuerbare Energien, und sie benötigen weitaus mehr Unterstützung, um ihre eigenen Energiewenden umzusetzen. Dieser direkte Zusammenhang zwischen internationalen Investitionen und dem Erfolg der Pariser Ziele war eines der Themen, die auf dem Workshop über langfristige Finanzierungen auf der Climate Change Conference (SB50) in Bonn diskutiert wurden.

Die große Hoffnung auf Marktmechanismen

Die Hoffnungen steigen, dass neue Marktmechanismen diesen Wandel fördern werden. Eine Entscheidung über die Durchführungsbestimmungen zu Artikel 6 wurde im vergangenen Jahr auf der COP24 vertagt, aber die neue COP25-Präsidentin Carolina Schmidt aus Chile versprach vergangene Woche, dass sie ihr Bestes tun werde, um bis Ende diesen Jahres ein Ergebnis zu erzielen. Wie immer steckt der Teufel im Detail.

Der Hauptstreitpunkt in den Verhandlungen ist die Frage, ob man besser einen Neuanfang wagt, oder auf der bestehenden Struktur des im Rahmen des Kyoto-Protokolls etablierten Clean Development Mechanism (CDM) aufbaut. Diese Debatte konzentriert sich auf drei verschiedene Trade-Offs, die ich im Folgenden erläutern werde.

Alte Regeln für ein neues Spiel?

Die Bilanz der CDM-Erfahrung ist gemischt; einige Regeln wurden scharf kritisiert. Einige Länder und viele NGOs fordern einen stärkeren menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Schutz. Dieser erfordere mehr Transparenz, auch Effektivität in der CO2-Minderung zu gewährleisten und Doppelzählungen zu vermeiden. Ein Neuanfang könnte ein neues Vertrauen in diese Mechanismen schaffen. Andere weisen auf die Bedeutung des Vertrauens der Anleger hin, das durch ein völlig neues System erschüttert würde. Darüber hinaus argumentieren einige Entwicklungsländer, dass man aus den CDM Erfahrungen lernen wolle ohne die Regularien derart zu verändern, dass erneute Investitionen in Kapazitäten gebraucht würden.

Neue Architektur des Pariser Abkommens und spieltheoretische Gefahren

Sollten bestehende CDM-Projekte im neuen Marktmechanismus weiterleben? Diese Frage entzweit Gemüter, da sich die Architektur des internationalen Klimaregimes seit der Gründung des CDM grundlegend verändert hat. Unter dem Kyoto-Protokoll hatten nur Industrieländer Treibhausgasreduktionsziele und alle Übrigen konnten Geld verdienen, indem sie Emissionsreduktionen verkauften. Das Hauptargument für CDM war die Kosteneffizienz – ein Maximum an Emissionsreduktionen pro investiertem Dollar. Die Industrieländer wurden ermutigt, zunächst "tief hängende Früchte" in anderen Ländern zu ernten bevor man hohe Investitionen in die eigene Emissionsminderung steckte.

Doch da das Pariser Abkommen Emissionsziele für alle Länder enthält, spricht keiner mehr von Kosteneffizienz, sondern nur noch von zusätzlichen CO2-Reduktionen, die über den Markt ermöglicht werden sollen. Dieses lobenswerte Ziel ist aber nur äußerst schwer zu überprüfen. Diese "Zusätzlichkeit" kommt nur dann zum Tragen, wenn der Markt auf die "hoch-hängenden Früchte" abzielt, die ein Land allein nicht erreicht hätte.

Dieser Unterschied lässt Zweifel daran aufkommen, ob bestehende CDM-Projekte im Rahmen des neuen Markt-Mechanismus automatisch übertragbar sein sollten. Schlimmstenfalls könnte dies Länder davon abhalten, ihre nationalen Klimaambitionen in ihren NDCs zu erhöhen, da dies "zusätzliche" Investitionen im Rahmen eines Marktmechanismus einschränken könnte.

Maximaler Skalen- oder maximaler Preiseffekt?

Ob bestehende CDM-Projekten oder gar CO2-Zertifikate übernommen werden, steht in engem Zusammenhang mit der Frage nach der Zielausrechnung des neuen Instruments: will man
a) eine maximale Größenwirkung - mit möglichst vielen Klimaschutzprojekten - oder
b) eine maximale Preiswirkung, die in Investitionsentscheidungen tatsächlich spürbar wird.

Die perspectives climate group beschriebt verschiedene Szenarien und warnt davor, dass eine Übertragung über Jahre hinweg internationale CO2-Preissignale senkt. Mit bereits refinanzierten Investitionskosten könnten CDM-Projekte, Milliarden zertifizierter Emissionsreduktionen (CER) zu Grenzkosten von unter einem Euro auszugeben.

Neben den systemischen Auswirkungen auf die globalen Kohlenstoffmärkte warnen andere vor den systemischen Auswirkungen einer erfolgreichen, aber plötzlichen Verlagerung der Finanzen in die Länder des Globalen Südens. Parallel zum Ressourcen-Fluch von Ölstaaten wird ein "Klimafinanzierungsfluch" diskutiert. Je nach Ausgestaltung der Markt-Regeln und der Übertragbarkeit von CDM-Projekten, könnten diese Finanzströme zwischen 3,5 und 14 Prozent des BIP eines Landes liegen. Dies könnte interne Ungleichgewichte stärken und politische Abhängigkeiten erhöhen.

Entscheidung bei der COP25 in Chile

Eine Entscheidung über die Gestaltung eines neuen Marktmechanismus wird im Dezember 2019 erwartet. Die Trennlinien in den Verhandlungen werden durch die politische Ökonomie der oben beschriebenen Trade-offs bestimmt. Welches Marktdesign sich wie auf die Verteilung finanzieller Risiken und Kosten auswirkt ist daher zentral. Die Länder mit den meisten CDM-Projekten, wie etwa Brasilien und Indien, argumentieren lautstark für die volle Übertragbarkeit von CDM-Projekten und -Krediten.

Die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) und viele afrikanische Länder haben dagegen Angst vor Überforderung durch neue bürokratische Anforderungen und befürworten daher die Übertragbarkeit der CDM-Regeln. Andere, darunter die Independent Alliance of Latin America and the Caribbean (AILAC), die Environment Integrity Group (EIG), die EU, Japan, Kanada und Neuseeland, haben sich ehrgeizige inländische Klimaziele gesetzt und hoffen auf gleiche globale Rahmenbedingungen mit stärkeren Kohlenstoffpreisen, um nicht durch ihr eigenes Klimahandeln in einer Weltwirtschaft benachteiligt zu werden. Aus ihrer Sicht sind strengere Regeln, Transparenz und eine minimale Übertragbarkeit sinnvoll. Ein Blick auf die politische Ökonomie der internationalen Kohlenstoffmärkte kann den für eine Einigung notwendigen Koalitionsaufbau stärken.

Es bleibt abzuwarten, ob das neue Markt-Instrument eine Neuausrichtung der Energiefinanzierung fördern und zusätzlich Emissionen mindern wird, oder ob es schlimmstenfalls falsche Anreize setzt, die Ambitionen im globalen Süden verringern, während sich der globale Norden mit CO2-Zertifikaten für wenige Cent kauft von eigenen Verpflichtungen freikauft.

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