Headline: Umweltverträglich, rentabel, nützlich für die Gesellschaft? Experten diskutieren über Tiefseebergbau

Rohstoffe aus dem Meer

Eine Fräse für den Tiefseebergbau, entwickelt von der kanadischen Firma Nautilus Minerals. ©Nautilus Minerals
Eine Fräse für den Tiefseebergbau, entwickelt von der kanadischen Firma Nautilus Minerals. ©Nautilus Minerals

Seit ihrer Entdeckung Ende des 19. Jahrhunderts sind Manganknollen aus der Tiefsee immer wieder auf großes Interesse gestoßen. Die bis zu 20 Zentimeter großen Gebilde enthalten neben dem Spurenelement Mangan auch Magnesium und Eisen sowie Silikon, Aluminium, Nickel, Kupfer und Cobalt. Seit den 1970er Jahren sind mehrere von Unternehmen und Regierungen finanzierte Versuche unternommen worden, Abbauverfahren für Manganknollen und andere Ressourcen der Tiefsee wie Erzschlämme zu entwickeln. Doch keines hat sich bewährt. Neben der technischen Herausforderung gibt es eine Vielzahl weiterer offener Fragen: Welches Maß an Umweltschäden ist akzeptabel? Wer darf die Ressourcen erschließen? Wem würden die Gewinne gehören? Bei einem vom IASS und GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel organisierten Workshop zum Thema „Deep-Sea Mining: an uncertain future?“ haben Experten die wichtigsten ungelösten Fragen des Tiefseebergbaus diskutiert.

Eine Fräse für den Tiefseebergbau, entwickelt von der kanadischen Firma Nautilus Minerals. ©Nautilus Minerals
Eine Fräse für den Tiefseebergbau, entwickelt von der kanadischen Firma Nautilus Minerals. ©Nautilus Minerals

IASS-Exekutivdirektor Klaus Töpfer betonte in seinem einführenden Vortrag, dass die Ressourcengewinnung aus der Tiefsee nicht isoliert betrachtet werden dürfe: „Alternativen wie die Kreislaufwirtschaft und effizientere Ressourcennutzung müssen ebenfalls berücksichtigt werden.“ Fehler, die etwa bei der Regulierung der Emission von Luftschadstoffen gemacht wurden, dürften nicht wiederholt werden. So wurde in den 70er Jahren die Verschmutzung zunächst gesenkt, indem sie durch hohe Schornsteine einfach weiter verteilt wurde, später wurden Filtertechnologien entwickelt. „Beim Tiefseebergbau sollten wir den hohen Schornstein, das Ende der Leitung überspringen“, sagte Töpfer.

Wie können heutige und künftige Generationen vom Tiefseebergbau profitieren?

Doch trotz des steigenden Interesses am Tiefseebergbau ist das Verständnis der möglichen Auswirkungen dieser Tätigkeit auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft noch unzureichend. „Eine Diskussion zwischen Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen, bei einem Forum wie diesem Treffen und auf der Grundlage solider wissenschaftlicher Daten und Informationen, ist notwendig für fundierte Entscheidungen über die nachhaltige Entwicklung und Regulierung dieser künftigen Aktivität“, sagte der Ozeanforscher John Jamieson von GEOMAR. Einigkeit herrschte bei den Teilnehmern darüber, dass bei der Erschließung der Tiefsee-Ressourcen Umweltschäden unvermeidbar sein werden. Begleiterscheinungen des Abbaus wie Trübungswolken durch Sedimente, die durch den Abbau und die Förderung der Ressourcen entstehen, sollten so gering wie möglich gehalten werden, damit am Boden lebende Organismen wie Korallen oder Schwämme nicht überdeckt werden. „Dies ist eine der größten technologischen Herausforderungen und könnte den Fußabdruck der betroffenen Bereiche erheblich reduzieren“, erläuterte Phil Weaver von Seascape Consultants, einer Beratungsfirma, die das MIDAS-Projekt der Europäischen Union zu möglichen Umweltfolgen des Tiefseebergbaus koordiniert.

Insgesamt ist eine umfassende Regulierung des Tiefseebergbaus notwendig. Dies ist keine leichte Aufgabe, denn der internationale Meeresboden gehört zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“. Das bedeutet, dass die Ressourcen allen Nationen gehören, nicht etwa denen, die sie zuerst in die Hände bekommen. „Das Prinzip des gemeinsamen Erbes verlangt, dass der Tiefseebergbau auf gerechte und umweltverträgliche Weise entwickelt wird, so dass sowohl gegenwärtige als auch künftige Generationen von ihm profitieren“, erläuterte Kristina Gjerde von der Weltnaturschutzorganisation International Union for Conservation of Nature (IUCN). „Um dieses Prinzip effektiv umzusetzen, werden wir erstens unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse rasch vertiefen müssen, damit wir die Meeresumwelt schützen können und keine lebenswichtige biologische Vielfalt, keine Ökosystemfunktionen verlieren; zweitens von Grund auf neu überlegen, wie die Internationale Meeresbodenbehörde den Zugang zu Schürfrechten vergibt, um Chancengerechtigkeit sicherzustellen; und drittens ein wirksames System der Überwachung, Kontrolle und Einhaltung entwickeln, so dass jede zugelassene Abbautätigkeit sicher und umsichtig durchgeführt wird.“ Auch andere Teilnehmer betonten die Notwendigkeit von Umweltzielen, Indikatoren und einer nachhaltigen Überwachung der definierten Maßnahmen.

Neben Umwelt- und Regulierungsfragen ist auch die finanzielle Rentabilität des Tiefseebergbaus derzeit ungeklärt. Einige der versammelten Experten äußerten angesichts der hohen Investitionskosten und stagnierenden Metallpreise Zweifel an dessen Zukunftsfähigkeit. Andere prognostizierten, dass er in rund 20 Jahren ein wichtiger Industriezweig sein werde. Doch auch sie sprachen sich angesichts der zahlreichen Unsicherheiten für ein langsames Vorgehen aus. Schließlich zeige die Erfahrung des Bergbaus an Land und der Erdölförderung, dass rasch und plötzlich steigende Einkünfte für Volkswirtschaften ein zweischneidiges Schwert sein können, besonders für kleine Länder und Entwicklungsländer. Sie können auf eine Reihe von Schwierigkeiten stoßen, die – metaphorisch als „Ressourcenfluch“ bezeichnet – unerwartet sind und zunächst nichts mit den Ressourcen zu tun zu haben scheinen.

IASS gibt Informationsschriften über Tiefseebergbau für Journalisten und Politiker heraus

Ein Ziel des Workshops war es, die größeren Zusammenhänge der mit dem Tiefseebergbau verbundenen Fragen nachhaltiger Entwicklung nachzuvollziehen. Jeff Ardron, der am IASS zur Governance des Tiefseebergbaus forscht, zog nach zwei Tagen intensiver Diskussionen ein positives Fazit: „Ich glaube, wir waren uns alle einig, dass sich dieses Thema nicht einfach vom Tisch wischen lässt und wir jetzt eine echte Chance haben, weitsichtige Regulierungen zu definieren, noch bevor es in die Tat umgesetzt wird. Eine Sache war uns sehr bewusst, nämlich dass diese Art von Diskussion über die Nachhaltigkeit des Tiefseebergbaus nicht irgendwo anders stattfand. Wir waren Die Diskussion! Die Internationale Meeresbodenbehörde ist so sehr damit beschäftigt, Vorschriften zu entwickeln und Lizenzen zu vergeben, dass sie keine Zeit hat sich zurückzulehnen und zu fragen, ob dies überhaupt eine gute Idee ist. Einige Inselstaaten im Pazifik haben öffentliche Konsultationen durchgeführt, und das ist eine sehr gute Sache, aber die großen Fragen, wie die nach einer umfassenden ökonomischen Strategie, sind nicht immer diskutiert worden.“ Über den Detailfragen dürften grundlegende Fragen nicht vergessen werden, etwa die nach Indikatoren für Erfolg oder Misserfolg des Tiefseebergbaus oder nach dem Nutzen oder Schaden für unsere Volkswirtschaften, Gesellschaften und die Umwelt.

Um Journalisten und Politiker bessere Informationsmöglichkeiten zum Thema zu bieten, wird das IASS im Laufe der nächsten Monate Briefings zu verschiedenen Aspekten des Tiefseebergbaus herausbringen und diese in die internationalen Prozesse zum Tiefseebergbau einbringen.

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20.04.2015