Headline: Bürgerbeteiligung bei Stadtwerken nur bedingt gelebte Praxis

Energiewende

Gerade kommunale Unternehmen haben großes Potenzial, die lokale Energiewende gemeinsam mit Bürgern voranzubringen. © Timo Jaster/Stiftung Mitarbeit
Gerade kommunale Unternehmen haben großes Potenzial, die lokale Energiewende gemeinsam mit Bürgern voranzubringen. © Timo Jaster/Stiftung Mitarbeit

Damit die Energiewende als Gemeinschaftswerk gelingen kann, ist das Mitmachen von Bürgern erforderlich. Gerade kommunale Unternehmen bringen großes Potenzial mit, um die lokale Energiewende gemeinsam mit Bürgern voranzubringen. Denn kommunale sind im Vergleich zu privaten Unternehmen den Bürgern „näher“, da sie ihnen ja mittelbar gehören. Was bedeutet das für die Beteiligungspraxis kommunaler Energieversorger? Welchen Gestaltungsspielraum räumen Stadtwerke den Bürgern ein? Dieser Frage gehen IASS-Wissenschaftler in ihrem Working Paper „Bürgerbeteiligung, kommunale Unternehmen, Energiewende: Wie passt das zusammen?“ nach. Sie tragen darin vorliegende empirische Erkenntnisse zusammen.

Gerade kommunale Unternehmen haben großes Potenzial, die lokale Energiewende gemeinsam mit Bürgern voranzubringen. © Timo Jaster/Stiftung Mitarbeit
Gerade kommunale Unternehmen haben großes Potenzial, die lokale Energiewende gemeinsam mit Bürgern voranzubringen. © Timo Jaster/Stiftung Mitarbeit

Ambivalente Befunde zur Beteiligungspraxis

„Der Begriff Bürgerbeteiligung ist heute nahezu allgegenwärtig“, erklärt Erstautorin Ina Richter. „In der Energiewende ist er unweigerlich mit Stichworten wie Bürgerenergiegenossenschaften, Bürgerwindparks, aber auch dialogischen Verfahren bei Infrastrukturplanungen verbunden. Nicht immer ist klar, was mit ‚Beteiligung‘ konkret gemeint ist. Weitgehend unerforscht ist auch, welche Ansätze Akteure wie Stadtwerke verfolgen. Es liegen zwar eine Reihe an Best-Practice Handreichungen vor, sie beziehen sich jedoch vorwiegend auf Einzelfälle.“ Die Autoren sichteten daher vorliegende Studien und konnten folgende Tendenzen ableiten:

  • Die Bedeutung bürgerschaftlicher Mitsprache wird kontrovers gesehen.

Stadtwerke nehmen eine ambivalente Haltung zu der Frage ein, ob die Energiewende mit ihrem dezentralen Charakter zu mehr Bürgerbeteiligung führen wird. Kontrovers ist zudem die Bedeutung von bürgerschaftlicher Mitsprache speziell bei Energieinfrastrukturprojekten wie etwa der Errichtung von Windparks, wobei nicht abschließend geklärt ist, woher diese Skepsis rührt und inwieweit methodisch bedingte Verzerrungen der Studienergebnisse eine Rolle spielen.

  • „Mitsprache und Mitentscheiden“ sind bisher nur bedingt gelebte Praxis.

Stadtwerke erkennen in der Erzeugung von erneuerbaren Energien ein zukünftiges Geschäftsfeld. Damit eröffnen sich auch Gelegenheiten, Bürger stärker in Planungen vor Ort einzubeziehen. Dies erscheint den Autoren besonders sinnvoll angesichts der Konflikte, die sich vielerorts zum Beispiel bei Windenergieprojekten einstellen. In der Praxis bedeutet eine stärkere Beteiligung zunächst zusätzliche Informationsvermittlung und Offenlegung von geplanten Schritten.

Bei wirtschaftlichen Beteiligungsmodellen geht der Trend in Richtung indirekter und Minderheitenbeteiligung - vornehmlich in Form von Sparbriefen – gegenüber der direkten Miteigentümerschaft am Unternehmen selbst oder an ausgewählten Erneuerbare-Energie-Projekten. Als künftig besonders wichtig bewerten die Stadtwerke kooperative Modelle, vor allem in Form von strategischen Zusammenschlüssen zwischen kommunalen Unternehmen, aber auch genossenschaftliche Ansätze könnten an Bedeutung gewinnen.

  • Image, Kundenbindung und Akzeptanz als vorrangiger Fokus

Die Ergebnisse der Literatur- und Datenauswertung zeichnen ein Bild vom Bürger als Kunden, wenn es um Beteiligungsfragen geht. Nach Einschätzungen von Stadtwerken setzte diese Entwicklung im Zuge der Liberalisierung des Energiemarktes Ende der 1990er Jahre ein. Dieser Fokus auf die Bedürfnisse des Kunden sei ohne Frage bedeutsam, schreiben die Autoren. Mit einer solchen Rollenzuschreibung würden die Potenziale von Partizipation jedoch nicht ausgeschöpft.

  • Engagierte Einzelpersonen sind wichtig

Die Forschungsergebnisse deuten nicht auf einen Wettkampf um das ambitionierteste Beteiligungsmodell hin. Demgegenüber gibt es aber besonders schillernde Einzelfälle. Letztlich hängt es laut der Studie von einer Reihe von Faktoren ab, ob und wie Bürger bei Energiewendeprojekten der Stadtwerke beteiligt werden. Dazu zählen mangelnde Ressourcen in finanzieller, personeller und zeitlicher Hinsicht. Überdies sind das Interesse, ein bestimmtes Grundverständnis von Beteiligung und die persönliche Motivation von Entscheidungsträgern ausschlaggebend.

Richter, I., Nicolaus, K., Gotchev, B. (2016): Bürgerbeteiligung, kommunale Unternehmen, Energiewende: Wie passt das zusammen? Befunde zur Praxis der Bürgerbeteiligung. - IASS Working Paper, Dezember 2016.
DOI:
http://doi.org/10.2312/iass.2016.032