Headline: Nutzt die Klimawissenschaft der Gesellschaft? Guy Brasseur reflektiert auf neuen Ansatz für Klima-Services

Wir wissen viel über den Klimawandel und seine Ursachen. Warum nur ändert sich dann so wenig? Eine Hypothese ist, dass es ein Kommunikationsproblem gebe: „Der wissenschaftliche Fortschritt in den letzten Jahrzehnten hat der Gesellschaft nicht hinreichend geholfen, Mitigations- und Anpassungsstrategien zu entwickeln, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken“, sagte der belgische Atmosphärenforscher Guy Brasseur in einem Vortrag am IASS zum Thema “Climate Services: Dream or Reality?” am 4. Februar. Brasseur, der von 2009 bis 2014 das Climate Service Center in Hamburg leitete, skizzierte seine Ideen für effektivere Beiträge der Klimawissenschaft im Dienste der Gesellschaft (Klima-Services). Im Zentrum stehen für ihn gemeinsame Projekte von Wissenschaftlern mit Stakeholdern aus Bereichen wie Landwirtschaft, Transport, Tourismus, Handel, Gesundheit, Finanzen und Bau.

Allzu oft verfolgten Wissenschaftler einen Top-down-Ansatz, bei dem Produzenten und Nutzer von Wissen strikt getrennt sind. Dies funktioniere bei einfacher Informationsweitergabe wie Wettervorhersagen, jedoch nicht in Bereichen, die komplexer Planung bedürfen, wie die Anpassung an den Klimawandel. Wissenschaftler müssten fallspezifischer arbeiten und die vor Ort vorhandenen Kenntnisse und Gepflogenheiten berücksichtigen: „Jeder Nutzer ist anders, der Kontext der Entscheidungsfindung von großer Bedeutung, der Branchenfokus ebenfalls wichtig – wir müssen uns über das ‚Was‘ und das ‚Wer‘ im Klaren sein.“ Das Interesse an Lösungsvorschlägen für konkrete, aktuelle Probleme sei generell größer als an umfassenden Datenbanken und langfristigen Projektionen.

Beratung ist nach Brasseurs Erfahrung derzeit vor allem im Hinblick auf Mitigationsstrategien gefragt, während es für Dienstleistungen für die Anpassung an den Klimawandel noch kaum einen Markt gebe. Ein Grund hierfür sei der fehlende Austausch zwischen Forschern und Stakeholdern. Zweitens gebe es keine wirksamen Rechtsvorschriften zu Anpassungsmaßnahmen, zum dritten seien die Zeiträume des Klimawandels größer als der Planungshorizont der meisten Institutionen. „Private Unternehmen sind an Klima-Services interessiert, die in sehr kurzen Zeiträumen ihre spezifischen Fragen beantworten“, sagte Brasseur.

Sein eigener Ansatz sieht die Etablierung von Klima-Services als Partnerschaft zwischen Forschungseinrichtungen, Spezialisten für Auswirkungen des Klimawandels, Anpassungsstrategien und Gefährdung – etwa Ökonomen, Beratungsfirmen und Vertreter der akademischen Kreise - sowie Repräsentanten von Unternehmen und dem öffentlichen Dienst vor. Ein Vorzeigeprojekt für eine solche Kooperation sei das “Ouranos”-Konsortium in Montreal, in dem 450 Wissenschaftler und Fachkräfte gemeinsam die Auswirkungen des Klimawandels erforschen und Anpassungsmaßnahmen entwickeln. Projekte wie dieses könnten dafür sorgen, dass Klima-Services vom Traum zur Realität werden.

09.02.2015