Headline: Plattform Energiewende des IASS nimmt Stellung zum Grünbuch Strommarktdesign

Wie soll der Strommarkt weiterentwickelt werden? Welche Anreize sollten konventionellen Kraftwerken gegeben werden, künftig Schwankungen erneuerbar erzeugten Stroms abzusichern und jederzeit ausreichend Leistung vorzuhalten, und das möglichst günstig? Mit solchen Fragen befasst sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in seinem im November 2014 vorgestellten Grünbuch „Ein Strommarkt für die Energiewende“. Darin stellt das Ministerium zwei grundsätzliche Möglichkeiten zur Diskussion, wie langfristig sichergestellt werden kann, dass ausreichend Kraftwerkswerksleistung zur Verfügung steht: einen sogenannten „Kapazitätsmarkt“ oder einen „Energy-Only-Markt (EOM) 2.0“. Der grundsätzliche Unterschied beider Modelle: Beim EOM 2.0 wird auf Termin- oder Spotmärkten ausschließlich die produzierte Energie der Kraftwerke gehandelt. Nicht gehandelt wird dagegen das Bereithalten von Kraftwerksleistung, die nur dann abgerufen wird, wenn Wind- und Sonne nicht genug Strom liefern. Beim alternativen Modell, dem Kapazitätsmarkt, würden neue Handelsplattformen geschaffen, auf denen Stromerzeuger auch das reine Vorhalten ihrer Kraftwerke handeln würden.

Das Ministerium bat die Öffentlichkeit, bis zum 1. März ihre Stellungnahmen einzureichen. Die Plattform Energiewende des IASS hat in ihrem Kommentar zu zentralen Aspekten des Grünbuchs Stellung genommen und darin klare Handlungsempfehlungen für die Politik zur Weiterentwicklung des Strommarktdesigns formuliert:

  1. Der Strommarkt sollte um ein Instrument ergänzt werden, das gleichzeitig den Abbau der Überkapazität im Kraftwerkspark und die Emissionen der Stromerzeugung steuert, indem es emissionsintensive und relativ unflexible Kraftwerke aus dem Markt nimmt. Dieses Instrument würde die Wirtschaftlichkeit der im Markt verbleibenden Mittel- und Spitzenlastkraftwerke tendenziell stärken und den Beitrag der Stromerzeugung zum Erreichen der Klimaschutzziele für 2020 sichern. Es würde einen Rahmen für den zukünftigen Strommarkt bilden, der sowohl bei einer Entscheidung für den Energy-Only-Markt (EOM) 2.0 mit Kapazitätsreserve als auch für einen Kapazitätsmarkt sinnvoll und notwendig ist. Das Emissionsminderungsinstrument sollte daher als eine der sogenannten Sowieso-Maßnahmen in das Weißbuch aufgenommen werden. Diese Maßnahmen dienen der Optimierung des Energy-Only-Marktes.
  2. Die Einführung eines Kapazitätsmarktes stellt einen erheblichen Eingriff in den Strommarkt dar. Allein der damit verbundene Aufwand wird große Hemmungen erzeugen, das Instrument zu einem späteren Zeitpunkt wieder abzuschaffen. Gleichzeitig kann aus den empirischen Belegen keine eindeutige Handlungsempfehlung für oder gegen die Einführung von Kapazitätsmärkten in Deutschland abgeleitet werden. Bei dieser Erkenntnislage ist es aus Sicht der IASS-Forscher sinnvoll, auf den großen Markteingriff zu verzichten. Sie befürworten stattdessen die Weiterentwicklung des EOM mit einer Ergänzung um eine Kapazitätsreserve. Diese Schritte ermöglichen weiteren Erkenntnisgewinn bei gesicherter Versorgung und schränken den zukünftigen Entscheidungsraum nicht ein.
  3. Das realisierbare Lastreduktionspotenzial ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Auch aus dieser Perspektive ist die Absicherung des EOM 2.0 durch eine Kapazitätsreserve zu empfehlen.
  4. Ein Level-Playing-Field, bei dem Anbieter und Nachfrager sozusagen gleiche Chancen haben, ist im Hinblick auf Flexibilitätsoptionen notwendig. Die Hemmnisse, denen sich Lastmanagement (Steuerung der Stromnachfrage auf Grund von Preissignalen oder durch den Netzbetreiber) gegenübersieht, sollten abgebaut werden. Diese betreffen zum Beispiel die Größe von Stromhandelsprodukten oder Regelungen im Bereich der Netzentgelte.
  5. Die Verordnung zu abschaltbaren Lasten von 2012, nach der Großverbraucher Geld für die Vorhaltung von Kapazität bekommen, die im Bedarfsfall vom Netzbetreiber abgeschaltet werden kann, fördert den Wettbewerb der Flexibilitätsoptionen nicht und verursacht zusätzliche Kosten für die Verbraucher. Der mangelnde Nutzen für das Stromsystem spricht gegen eine Verlängerung der Verordnung.

Die Vorschläge werden vom BMWi gesichtet und können in das im Mai auf das Grünbuch folgende Weißbuch einfließen, in dem sich das BMWi konkreter zu den beabsichtigten Reformschritten äußern wird.

Foto: © istock/Mordolff

03.03.2015