Headline: Schiefergas als Energiequelle in Europa: Potenzieller Nutzen oder unvorhersehbare Risiken?

In den vergangenen Jahren hat das Energiepotenzial unkonventioneller Gasvorkommen, speziell Schiefergas, großes Interesse sowohl bei Regierungen, Unternehmen als auch in der Forschung hervorgerufen. Angesichts des prognostizierten Wachstums des Energiebedarfs wird Erdgas oftmals als sauberere Alternative zu Öl und Kohle (hinsichtlich der CO2-Emissionen pro Energieeinheit) oder als mögliche Ergänzung für erneuerbare Energien gesehen. Dies führte zu verstärkten Investitionen in Forschung und Entwicklung. Der aktuelle Schiefergas-Boom in den USA hat das Interesse in vielen Regionen der Erde angeregt. In Europa haben einige Länder erste Schritte zur Schiefergasförderung unternommen, während andere noch abwarten, da das zur Schiefergasgewinnung angewendete hydraulische Fracking des Gesteins nicht ausreichend erforschte Umweltrisiken mit sich bringt.

Zu den Schlüsselfragen einer möglicherweise aufkommenden Schiefergasindustrie in Europa veranstaltete das IASS vom 21. bis 22. Mai den Workshop “Shale Gas in Europe – A Transdisciplinary Approach” mit Vertretern aus Wissenschaft, Regierungen, Zivilgesellschaft und Industrie, u.a. aus Deutschland, den USA, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Polen und der Ukraine. Ziel war es auch den Dialog zwischen verschiedenen Interessenvertretern zu fördern und das Verständnis für alle relevanten Aspekte der Schiefergasförderung zu vertiefen.

Der Workshop untersuchte vier Hauptthemen: Aktuelle Schiefergas-Entwicklungen in Europa, geopolitische und makroökonomische Aspekte, Fragen der öffentlichen Auseinandersetzung sowie des Umweltschutzes und der Technologie. Die Diskussionen rund um die ökonomischen und politischen Dimensionen zeigten die vielen verschiedenen – und manchmal länderspezifischen – Aspekte der Schiefergasförderung, die über die technische Perspektive hinausgeht. Die vielen Unsicherheiten und ungeklärten Fragen zu Schiefergas in Europa (technisch förderbare Ressourcen, Kosten etc.) erschweren jeden Versuch, zukünftige Auswirkungen zu modellieren. Die Analyse der US-Fallstudie lieferte nützliche Einblicke in die ökonomischen und umweltbezogenen Auswirkungen der Schiefergasgewinnung, die jedoch nicht ausreichen, um ein Gesamtbild darüber zu erhalten, wie die Folgen in Europa sein könnten.

Die Meinungen der Regierungen und der Öffentlichkeit zu Schiefergas variieren stark zwischen den europäischen Ländern – aber teils auch innerhalb eines Landes. Vor dem Hintergrund möglicher Auswirkungen der Schiefergasgewinnung ist ein erhöhtes öffentliches Engagement eine Kernkomponente demokratischer Beteiligung und darf von den betroffenen Ländern daher nicht ignoriert werden, lautete ein weiteres Ergebnis des Workshops. Die Diskussionen um ein regionales Pilotprogramm in Polen zeigte beispielhaft wie lokale Behörden einen Rahmen für lokale Gruppen schaffen können, um mit der Industrie zu interagieren und Meinungen der Bürger zu einem frühen Zeitpunkt in Entscheidungsprozesse einbringen zu können.

In der letzten Workshop-Session präsentierten Experten aus Wissenschaft und Industrie die neuesten Erkenntnisse zu technischen und umweltbezogenen Fragestellungen. Aspekte wie z.B. Methanemissionen bei Förderung und Transport, Auswirkungen der Frac Fluide, induzierte seismische Aktivität und Wassermanagement (Frac water und Flowback) wurden im Hinblick auf wissenschaftliche Forschung und auch derzeitige industrielle Anwendungen erläutert und analysiert. Bestehende und zukünftige Techniken zur Risikominderung wurden diskutiert sowie die verbleibenden Unsicherheiten aufgezeigt.

Ein wiederkehrender kontroverser Diskussionsaspekt während des Workshops war die Frage, ob eine Schiefergasgewinnung in Europa helfen könnte, klimapolitische Ziele, und im Speziellen den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, zu unterstützen oder ob eine Schiefergasproduktion diese eher untergraben würde. In diesem Zusammenhang könnten in Zukunft innovative Lösungsansätze zur CO2- freien Nutzung von Erdgas eine klimafreundlichere Option darstellen, sollte Erdgas aus unkonventionellen Quellen eine größere Rolle im europäischen Energiesystem spielen.

Insgesamt stütze sich die öffentliche Schiefergas-Debatte in Europa zu selten auf ein fakten-basiertes Verständnis. Gleiches gelte allerdings für die Vorhersagen der Schiefergas-Befürworter. Demnach sei ein transdisziplinärer Ansatz notwendig und sinnvoll, um wissenschaftliche Ergebnisse und soziale Perspektiven integriert zu diskutieren und fundierte Entscheidungen zu treffen.

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