Headline: Brauchen wir immer mehr? Was Bundestagsabgeordnete über Wirtschaftswachstum denken

Studie

Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeiter haben durchaus eigene Ansichten zum Thema Wirtschaftswachstum. In offiziellen Dokumenten spiegelt sich die Meinungsvielfalt jedoch nicht wider. © istock/Mlenny/Peshkov/monsitj (Montage)
Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeiter haben durchaus eigene Ansichten zum Thema Wirtschaftswachstum. In offiziellen Dokumenten spiegelt sich die Meinungsvielfalt jedoch nicht wider. © istock/Mlenny/Peshkov/monsitj (Montage)

Ob Wirtschaftswachstum einer nachhaltigen Entwicklung im Wege steht oder sie befördert, darüber herrschen unterschiedliche Ansichten. Die einen sehen den Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung, die das Wirtschaftswachstum mit sich bringt, als Bedrohung für die Zukunft des Planeten. Andere vertreten die Meinung, dass nur durch mehr wirtschaftliche Leistung Sozial- und Umweltbelange überhaupt adressiert werden können. Zwischen diesen Extrempositionen gibt es zahlreiche vermittelnde, deren Vertreter sich für ein ökologisch und sozial nachhaltiges Wachstum einsetzen.

Reflexionen zur Wünsch- und Machbarkeit stetigen Wirtschaftswachstums haben nicht nur in der Wissenschaft, sondern vor allem auch in der Gesellschaft in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen, gerade im deutschsprachigen Raum. Wissenschaftler des IASS haben in Interviews mit Bundestagsabgeordneten und deren Mitarbeitern erkundet, ob diese Überlegungen auch ihren Weg in die alltägliche Praxis des deutschen Parlaments finden. Die individuellen Einstellungen der Befragten verglichen sie mit der Argumentation in öffentlich zugänglichen Bundestagsdokumenten wie Regierungserklärungen, Unterrichtungen und Anträgen der Fraktionen.

Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeiter haben durchaus eigene Ansichten zum Thema Wirtschaftswachstum. In offiziellen Dokumenten spiegelt sich die Meinungsvielfalt jedoch nicht wider. © istock/Mlenny/Peshkov/monsitj (Montage)
Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeiter haben durchaus eigene Ansichten zum Thema Wirtschaftswachstum. In offiziellen Dokumenten spiegelt sich die Meinungsvielfalt jedoch nicht wider. © istock/Mlenny/Peshkov/monsitj (Montage)

Wie stark ist Wachstum als Ziel der Politik verankert?

Der Deutsche Bundestag hat diese gesellschaftliche Debatte in seiner 17. Legislaturperiode durch eine Enquete-Kommission aufgegriffen. Dass Wohlstandsmehrung nicht länger allein mit materiellem Wachstum gleichgesetzt werden könne, stellte sich dabei als durchaus konsensfähig heraus. Doch haben schwierige Grundsatzfragen – wie die nach der Generationengerechtigkeit, der Tragfähigkeit des Planeten und der Zukunftsfähigkeit des „Standorts Deutschland“ und diverser Sozialsysteme – im Alltagsgeschäft der Fraktionen und Ausschüsse überhaupt eine Chance auf Bearbeitung? Können sich die Parlamentarier hierzu eine eigene Meinung bilden, die dann auch anschlussfähig ist? Die Autoren legen dar, dass sich in den individuellen Einstellungen der Befragten eine Differenziertheit zeige, „die durch Parteieinflüsse zwar überformt, aber keineswegs zerstört wird“. In den analysierten Dokumenten hingegen tauche Wachstum zumeist als eigenständiges, den Arbeitsplätzen gleichrangiges Ziel auf – eine sprachliche Strategie, die Wachstum nach Ansicht der Autoren als Ziel von Politik bestätigt und Kritik unwahrscheinlich macht.

Über die Rolle von Wachstum im parlamentarischen Diskurs und die vielschichtigen Antworten der Interviewten gibt die IASS Study „Das Wachstumsparadigma im Deutschen Bundestag“ einen Überblick.

Rivera, M., Saalbach, C., Zucher, F., Mues, M. C. (2016): Das Wachstumsparadigma im Deutschen Bundestag: Ergebnisse und Fragen aus dem Projekt „Growth in Politics“. - IASS Study, Oktober 2016.