Headline: Vom Abkommen zur Aktion: Experten zeigen Wege zur Umsetzung der SDGs für die Meere und Küsten auf

UN-Nachhaltigkeitsziele

BMZ-Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel sprach über das deutsche Engagement für den Schutz der Meere. © IASS/Thomas Ecke
BMZ-Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel sprach über das deutsche Engagement für den Schutz der Meere. © IASS/Thomas Ecke

Der Schutz der Biodiversität der Meere, ihre nachhaltige Nutzung und die gerechte Aufteilung von Gewinnen aus Fischerei oder der Rohstoffförderung ist ein Schlüssel für nachhaltige Entwicklung. Die Vereinten Nationen haben dem „Leben unter dem Wasser“ deshalb ein eigenständiges Ziel in den 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) gewidmet. Um konkrete Schritte der Umsetzung des Weltzukunftsvertrags zu diskutieren, luden das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das IASS zusammen mit Partnern am 11. Mai zu einem Parlamentarischen Abend in Berlin ein.

Im Anschluss daran veranstalteten sie gemeinsam mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), dem Kieler Exzellenz-Cluster „Zukunft der Ozeane“, dem Pariser Institute for Sustainable Development and International Relations (IDDRI) und der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) am 12. und 13. Mai den dritten Potsdam Ocean Governance Workshop. Mehr als 50 internationale Experten sowie Vertreter von Regierungen, internationalen Organisationen, Forschungseinrichtungen und der Zivilgesellschaft diskutierten dabei über innovative Lösungen für die Umsetzung von UN-Nachhaltigkeitsziel 14.

In Deutschland steht die Zukunft der Ozeane auch weiterhin oben auf der politischen Agenda: Am 18. Mai stellte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller in Kiel einen 10-Punkteplan für Meeresschutz und nachhaltige Fischerei vor, der unter anderem die Unterstützung regionaler Umsetzungsprozesse für die SDGs unter dem Dach der von IASS, IDDRI und UNEP initiierten Partnership for Regional Ocean Governance vorsieht. Diese internationale Initiative unterstützt die Entwicklung neuer Ansätze guter Meeres-Governance an der Schnittstelle von Forschung und Politik.

Entwicklungsministerium fördert nachhaltige Nutzung und Schutz der Meere und Küsten

Beim Parlamentarischen Abend diskutierte Alexander Müller (Rat für nachhaltige Entwicklung) mit Jan Olsson (Schwedischer Botschafter für die Umwelt), Tania Rödiger-Vorwerk (BMZ), Mette Wilkie (UNEP) und Luc Bas (Weltnaturschutzunion IUCN). © IASS/Thomas Ecke
Beim Parlamentarischen Abend diskutierte Alexander Müller (Rat für nachhaltige Entwicklung) mit Jan Olsson (Schwedischer Botschafter für die Umwelt), Tania Rödiger-Vorwerk (BMZ), Mette Wilkie (UNEP) und Luc Bas (Weltnaturschutzunion IUCN). © IASS/Thomas Ecke

Zum Auftakt des Parlamentarischen Abends am 11. Mai informierte BMZ-Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel über das bisherige deutsche Engagement für den Schutz der Ozeane. „Wenn wir über die Frage des Schutzes von Meeren und Küsten reden, geht es uns im BMZ darum, die Einrichtung und Sicherung von Meeresschutzgebieten und die nachhaltige Fischerei zu unterstützen, auch mit Blick auf die Bekämpfung des Hungers. Wir fördern derzeit Projekte mit 180 Millionen Euro“, sagte er. Als Beispiele nannte Fuchtel unter anderem den Aufbau effektiver Überwachungssysteme zur Bekämpfung illegaler Fischerei in Mauretanien sowie das nachhaltige Management vietnamesischer Mangrovenwälder bei gleichzeitiger Schaffung von Einkommen für die lokale Bevölkerung.

In einem vom BMZ geförderten Projekt arbeiten IASS, IDDRI, UNEP und GIZ daran, die länderübergreifende Umsetzung der SDGs für die Meere und Küsten auf regionaler Ebene voranzubringen. Sebastian Unger, Leiter des Bereichs Ocean Governance am IASS, unterstrich die Bedeutung regionaler Kooperation für den Meeresschutz. „Der Ozean macht nicht an den vom Menschen gezogenen Grenzen halt. Auch wenn die Verantwortung für die SDGs auf nationaler Ebene liegt, brauchen wir für die Meere und Küsten eine länderübergreifende Umsetzung, die sich nicht auf einzelne Sektoren, wie die Fischerei oder Schifffahrt, oder den Meeresschutz beschränkt.“

Mehrere Referenten hoben zudem die Notwendigkeit hervor, alle 17 SDGs als Einheit wahrzunehmen und sich nicht auf die Umsetzung eines einzelnen Ziels zu konzentrieren. Wichtig sei zudem, dass die Industriestaaten die SDGs als Chance ihrer eigenen nachhaltigen Entwicklung begriffen und mit gutem Beispiel vorangingen. Die Entscheidungsstrukturen in Bezug auf Ozeane zählen auf Grund der starken Fragmentierung in Einzelzuständigkeiten zu den kompliziertesten Governance-Systemen innerhalb der UN. Ein Lösungsansatz, den das IASS zusammen mit dem Pariser Institut IDDRI weiterentwickelt hat, sieht vor, die einzelnen Sektoren zusammenzuführen und integrierte Ansätze für die Meeres-Governance zu stärken. Dabei spielen regionale Ansätze zum Schutz der Meere eine wichtige Rolle.

Mark Lawrence, geschäftsführender wissenschaftlicher Direktor am IASS, betonte: „Die Ozeane sind ein integraler Bestandteil nachhaltiger Entwicklung. Um Lösungen für die bestehenden Probleme und Fragen der Governance der Ozeane zu finden, müssen wir die beste Forschung mit dem besten Wissen aus der Praxis und verschiedenen Interessengruppen zusammenbringen, also in transdisziplinärer Weise vorgehen.“

Kapazitätsaufbau, Gestaltung und Überprüfung der Umsetzung und regionale Ansätze als zentrale Herausforderungen

Einen Beitrag zur Stärkung regionaler Ansätze leistete der Workshop am IASS. Dessen Schwerpunkt lag auf zentralen Herausforderungen wie dem Kapazitätsaufbau – also vor allem der Entwicklung von individuellen, gesellschaftlichen und institutionellen Fähigkeiten in allen Ländern –, der Nachverfolgung und Überprüfung der Umsetzung der SDGs sowie der Rolle regionaler Ansätze zum Schutz von Meeren und Küsten. Die Workshop-Teilnehmer waren sich einig, dass regionale Partnerschaften wichtig sind für die wirkungsvolle Umsetzung der für die Meere und Küsten relevanten Nachhaltigkeitsziele. Die hochrangige UN-Konferenz zur Unterstützung der Umsetzung von Ziel 14, die auf Initiative von Schweden und Fidschi vom 5. bis 9. Juni 2017 in Fidschi stattfindet, habe das Potenzial, ein wichtiger Meilenstein zu werden. Sie könne unter anderem mögliche Synergien zwischen den SDGs, wie die Rolle des Ozeans für Ernährungssicherheit (Nachhaltigkeitsziel 2) herausarbeiten, Vorreiterstaaten bei der Umsetzung der SDGs fördern und neue Partnerschaften stärken, zum Beispiel, um eine Plattform für gemeinsames Lernen als Grundlage für den Aufbau von Kapazitäten und Kompetenzen zu schaffen. Einig waren sich die Teilnehmer, dass dieser Prozess eng mit dem Überprüfungsprozess zur Umsetzung der SDGs verknüpft sein müsse.

An der Beteiligung verschiedener Interessengruppen und vor allem der Zivilgesellschaft mangelt es bei der Umsetzung der SDGs nach Meinung einiger Teilnehmer derzeit noch. Heike Vesper, Direktorin des internationalen Zentrums für Meeresschutz beim WWF, schlug vor, dass die Bundesregierung eine Nationale Plattform für Ministerien und Interessenverbände zur Umsetzung von SDG 14 einrichten solle. Beteiligungsverfahren reichten jedoch nicht aus, notwendig sei ein radikaler Wandel im Denken, sagte ein anderer Teilnehmer: „Warum sind die SDGs nicht das neue BIP?“ Das Bruttoinlandsprodukt sei keine sinnvolle Messgröße für erfolgreiche Politik, für die Messung langfristiger Prosperität eines Landes seien Indikatoren für Nachhaltigkeit bedeutender. Politikvertreter betonten, dass sie von der Wissenschaft klare Handlungsempfehlungen benötigten.

Als Fazit formulierte Workshop-Moderator Alexander Müller, Mitglied des Rates für nachhaltige Entwicklung, bei der Umsetzung von Ziel 14 solle „lokal agiert, national berichtet, regional koordiniert und global überprüft“ werden. Der Wissenschaft komme bei der Entwicklung des dafür nötigen Handlungswissens eine zentrale Rolle zu. „Transdisziplinäre Wissenschaft muss in der Implementierung der SDGs nicht nur vorhandenes Wissen bereitstellen, sondern selbst Teil des Lernprozesses werden und sich so auch für die neuen Fragestellungen öffnen, die aus der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit entstehen“, sagte Müller. Die Ergebnisse des Workshops sollen gemeinsam mit den Teilnehmern aufgearbeitet und in Form von klaren Empfehlungen für Entscheidungsträger (Policy Briefs) und ausführlicheren wissenschaftlichen Analysen veröffentlicht werden.

Meere und Ozeane sind auch das Thema des im Juni beginnenden Wissenschaftsjahrs 2016/17. Veranstaltungen, Ausstellungen und Wettbewerbe beschäftigen sich mit den unterschiedlichen Facetten des Themas, etwa dem Meer als Nahrungsquelle, Wirtschaftsraum und Klimaregulator.