Headline: Stromnetz der Zukunft: Tests von neuem supraleitenden Material verlaufen vielversprechend

EU-Projekt Best Paths

Kleiner Umfang, große Mengen Strom – ein supraleitendes Kabel. © RTE- Frédéric Lesur
Kleiner Umfang, große Mengen Strom – ein supraleitendes Kabel. © RTE- Frédéric Lesur

Europäische Wissenschaftler testen zurzeit im Rahmen des EU-finanzierten Projektes Best Paths die Anschlussmöglichkeit von supraleitenden Gleichstromleitungen mit dem Material Magnesiumdiborid (MgB2) ans bestehende Stromnetz. Best Paths (Laufzeit: Oktober 2014 bis September 2018) hat die Weiterentwicklung der Transportnetze für Strom zum Ziel. Das Potential von MgB2 für den Stromtransport mit unterirdischen supraleitenden Kabeln hatte der Physik-Nobelpreisträger und ehemalige IASS-Direktor Carlo Rubbia erkannt. Dieses Material zur Anwendungsreife zu bringen, ist Ziel eines der fünf Forschungsbereiche von Best Paths. Die technische Koordination liegt bei Nexans France, dem weltweit größten Kabelhersteller, die wissenschaftliche Koordination hat das IASS übernommen. Bei einem Treffen der beteiligten Institutionen – Forschungseinrichtungen, Industrieunternehmen, Energieversorger und Übertragungsnetzbetreiber – Anfang Mai fiel die Zwischenbilanz durchweg positiv aus. „Wir sind sehr zufrieden mit der Leistungsfähigkeit des Materials“, sagte Christian-Eric Bruzek von Nexans France.

 

Kleiner Umfang, große Mengen Strom – ein supraleitendes Kabel. © RTE- Frédéric Lesur
Kleiner Umfang, große Mengen Strom – ein supraleitendes Kabel. © RTE- Frédéric Lesur

 

Als Supraleiter bezeichnet man Materialen, durch die Strom völlig ohne Widerstand fließt. Damit Materialen diese Eigenschaft erhalten, muss man sie stark abkühlen. Die Experimente mit MgB2 bei dem Drahthersteller Columbus in Genua haben laut Bruzek bestätigt, dass sich das Material sehr gut zu Drähten verarbeiten lässt. „Wir haben in den letzten Monaten verschieden aufgebaute Drähte aus MgB2 hergestellt, indem wir zum Beispiel die Volumenanteile der verschiedenen Komponenten variiert haben. Dabei konnten wir die Leistung bereits um 25 Prozent verbessern. In den nächsten Monaten können wir die Leistung mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar verdoppeln“, erläuterte Bruzek. Auf dem Wissen aus diesen Tests aufbauend, entwickeln die rund 40 beteiligten Wissenschaftler und Techniker nun ein vollständiges Kabelsystem.

Die größte Herausforderung dabei seien die Anschlüsse an das bestehende Stromnetz, sagte Adela Marian vom IASS. „Die Stromstärke des supraleitenden Kabels ist mit zehn Kiloampere rund fünfmal höher als jene konventioneller Kabel, die Temperatur dagegen mit unter -250 Grad Celsius deutlich niedriger. Die Schnittstelle zu den herkömmlichen Kabeln, die Umgebungstemperatur haben, ist daher eine knifflige Sache.“ Es gibt jedoch Lösungen, die im Lauf der nächsten Monate umgesetzt werden. Für 2017 ist der Aufbau eines Demonstrators geplant, dessen Kabelstrecke 20 Meter lang ist. Die finale Testphase ist für 2018 vorgesehen. Über ihre Arbeit berichten die Forscher auch in einem soeben erschienenen Aufsatz.

Supraleiter können dabei helfen, den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien in Europas Energiemix zu integrieren. Weil die Kabel unterirdisch verlegt werden, sehr wenig Platz beanspruchen und große Mengen Strom transportieren, haben sie einen kleinen ökologischen Fußabdruck und stören anders als die raumgreifenden Hochspannungsleitungen nicht das Landschaftsbild. Bis 2050 soll der größte Anteil des Stroms in Europa aus erneuerbaren Quellen stammen. Die Übertragungsnetze müssen unter anderem darauf ausgerichtet werden, große Mengen von Offshore-Windstrom zu transportieren und ihn in existierende Netze einzuspeisen. Das ist aufgrund des fluktuierenden Charakters und der ungleichen geographischen Verteilung der Energiequellen schwierig. Eine umfassende Weiterentwicklung der Netz-Infrastruktur ist daher kritisch, um eine verlässliche Energieversorgung zu gewährleisten.

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