Headline: Naturkatastrophen: Forschung, Vorsorge und Folgen – Potsdam Summer School bringt neue Erkenntnisse und Netzwerke

"Facing Natural Hazards“

Potsdam Summer School (c) IASS/David Ausserhofer
Potsdam Summer School (c) IASS/David Ausserhofer

Immer wieder werden Menschen von Naturkatastrophen wie Stürmen, Überflutungen und Hitzewellen bedroht. Die Zahl der Opfer ist oft höher, als sie es angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse und moderner Technik sein müsste. Ein verbesserter Umgang mit Naturgefahren war vom 14. bis 23. September Thema der zweiten internationalen Potsdam Summer School mit dem Titel „Facing Natural Hazards“. 40 Nachwuchstalente aus 28 Ländern aus den Bereichen Wissenschaft, Politik und internationalen Organisationen diskutierten mit renommierten Wissenschaftlern und Experten aus der Praxis über die Auswirkungen des Klimawandels auf Naturgefahren, wirkungsvolle Katastrophen-Prävention und die Rolle von Entscheidungsstrukturen für eine höhere Resilienz. „Besonders wichtig war uns, sowohl das tiefe Eintauchen in fachspezifische Aspekte zu ermöglichen als auch eine Plattform dafür zu schaffen, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf Naturgefahren zu schauen“, sagte Mark Lawrence, wissenschaftlicher Direktor des IASS. Vorträge wechselten sich ab mit Workshops und kreativen Formaten wie Rollenspielen.

Katastrophenvorsorge ist sinnvoll, aber wenig populär

Mehrere Präsentationen stellten dar, wie verschiedene Naturgefahren entstehen und inwieweit sie sich vorhersagen lassen. Eine intensive Diskussion entspann sich um die Frage, wie aus Naturphänomenen konkrete Risiken für Menschen entstehen. Zu wenig bekannt ist nach Meinung vieler Teilnehmer, dass erst die Entscheidungen von Menschen, etwa zur Versiegelung von Böden oder der Umleitung von Flüssen, Naturgefahren zu Katastrophen werden lassen. David Alexander, Professor für Risiko- und Katastrophenvorsorge am University College London, ging in seinem Vortrag auf die Auswirkungen von Korruption auf die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen ein. Korruption führe häufig dazu, dass die Eliten einer Region auf Kosten weniger privilegierter Gruppen von der Katastrophenvorsorge profitieren, zum Beispiel, indem ihre Stadtteile durch die Umleitung von Flüssen vor Überflutungen geschützt werden.

Vorträge zu verschiedenen Aspekten von Naturgefahren wechselten sich ab mit interaktiven Formaten wie Workshops und Rollenspielen. (c) IASS/David Ausserhofer
Vorträge zu verschiedenen Aspekten von Naturgefahren wechselten sich ab mit interaktiven Formaten wie Workshops und Rollenspielen. (c) IASS/David Ausserhofer

Dem Thema Katastrophenvorsorge widmete sich auch der Risikoforscher Ortwin Renn, Professor für Umwelt- und Techniksoziologie an der Universität Stuttgart und designierter IASS-Direktor, in einem öffentlichen Vortrag im Rahmen der Summer School. Im Potsdamer Hans Otto Theater betonte er, dass viele schwerwiegende Folgen von Naturgefahren durch Präventionsmaßnahmen vermieden werden könnten. Es fehle jedoch sowohl bei Politikern als auch in der Bevölkerung der Wille, große Summen in vorbeugende Investitionen für Ereignisse bereit zu stellen, die möglicherweise nie eintreten. „Bei einer effektiven Vorsorge bleibt die Katastrophe aus, es fehlt der sichtbare Schaden und dann fragen sich die Leute, wofür eigentlich so viel Geld im Vorfeld ausgegeben worden ist“, erläuterte Renn. Zudem schätzten Menschen Naturgefahren häufig falsch ein. So siedelten sie etwa nach einer Flutwelle wieder am selben Ort, im Glauben, dass es sie nicht ein zweites Mal treffen werde. Naturgefahren werden als zyklische Ereignisse verstanden, während andere Katstrophen als zufällig verteilt angesehen werden.

Praktische Übungen kamen bei den Teilnehmern gut an

Eine intensive Diskussion bei der Summer School drehte sich darum, wie Entscheidungsstrukturen geschaffen werden können, die zu einer höheren Resilienz gegen Naturgefahren führen. Zudem kam die Frage auf, wie lokale Hilfsorganisationen in besonders gefährdeten Regionen gestärkt werden können. So werden etwa bei Erdbeben die meisten Menschen innerhalb der ersten 24 Stunden gerettet, noch bevor Organisationen wie das Internationale Rote Kreuz vor Ort sein können. Diese Thematik sei auch insofern schwierig, als die Helferländer wenig Interesse an einer Änderung der Situation hätten, sagte ein Teilnehmer. Sie betrachteten ihr Engagement auch als Möglichkeit zur geopolitischen Einflussnahme. Generell müsse die Frage, wessen Interessen von verschiedenen Naturgefahren bedient oder bedroht werden, stärker in die Forschung einbezogen werden, waren sich die Teilnehmer der Summer School einig.

Als besonders bereichernd empfanden viele eine praktische Übung zu Evakuationsstrategien nach einem Erdbeben, die Harald Spahn, Projektleiter der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Indonesien, für sie vorbereitet hatte. Dabei wurden die Teilnehmer in Gruppen aufgeteilt und bekamen eine Landkarte von Bali, in die sie ihre Evakuierungspläne einzeichneten. Anschließend präsentierte jede Gruppe ihre Pläne und bekam Feedback von den anderen Teilnehmern. Im Anschluss erläuterte Spahn, wie die Evakuation auf Bali bei dem schweren Erdbeben 2011 tatsächlich organisiert wurde.

Forschungseinrichtungen planen Fortsetzung der Potsdam Summer School

Viele Teilnehmer lobten die Vielfalt an Präsentations- und Diskussionsformen. „Ich hätte nie gedacht, dass eine Summer School so sein könnte!“, sagte Saadia Majed aus Bangladesch, Doktorandin an der Monash University in Melbourne. „Ich hatte mich beworben, weil ich zum Thema Katastrophenvorsorge promoviere und die Summer School einfach thematisch bestens für mich geeignet war. Aber ein so interaktives Programm hatte ich nicht erwartet – wir haben so viele Möglichkeiten zum Austausch bekommen!“ Sie habe viele interessante Kontakte zu Referenten und anderen Teilnehmern geknüpft, die sie künftig pflegen werde.

Auch im kommenden Jahr soll wieder eine Potsdam Summer School zu einem Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz stattfinden. Organisatoren sind neben dem IASS die Universität Potsdam, das Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ), das Alfred-Wegener-Institut - Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), sowie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die Landeshauptstadt Potsdam unterstützt die Veranstaltung als Partner.

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25.09.2015