Headline: Luftqualität und Klimawandel zusammen denken: Überlegungen für Entscheidungsträger

Eine integrierte Betrachtung von Luftqualität und Klimawandel kann unbeabsichtigte Nebenwirkungen reduzieren und zusätzliche Vorteile für Umwelt und Wirtschaft schaffen. © istock/lovelyday12
Eine integrierte Betrachtung von Luftqualität und Klimawandel kann unbeabsichtigte Nebenwirkungen reduzieren und zusätzliche Vorteile für Umwelt und Wirtschaft schaffen. © istock/lovelyday12

Luftqualität und Klimawandel sind untrennbar verknüpft, von ihren Emissionsquellen bis hin zu ihren Auswirkungen auf Klima, Gesundheit und Ökosysteme. Politische Maßnahmen ignorieren diese Verbindung jedoch häufig. Um Entscheidungsträgern eine integrierte Betrachtung zu erleichtern, haben die Atmosphärenforscherinnen Megan L. Melamed (University of Colorado), Julia Schmale (Paul Scherrer Institut) und Erika von Schneidemesser (IASS) in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Current Opinion in Environmental Sustainability“ drei Kernüberlegungen formuliert, die diese bei der Konzeption von Maßnahmen einbeziehen sollten.

„Wir wollen damit zu einem integrierten Ansatz zur Verbesserung der Luftqualität und der Abschwächung des Klimawandels beitragen. Sowohl in der Forschung als auch in der Umsetzung werden die größeren Zusammenhänge häufig noch nicht genügend beachtet“, erläutert Erika von Schneidemesser. Eine umfassendere Betrachtungsweise könne unbeabsichtigte Nebenwirkungen reduzieren und zusätzliche Vorteile für Umwelt und Wirtschaft schaffen.

Emissionsmix, Verweildauer, Synergien und Nachteile als entscheidende Kriterien

Die drei Überlegungen beziehen sich auf den Emissionsmix, die Verweildauer in der Atmosphäre sowie die Synergien und Nachteile der Maßnahmen:

  1. Ob beim Heizen oder Autofahren: Fast immer werden sowohl Luftschadstoffe als auch Treibhausgase ausgestoßen. Wird der Ausstoß eines bestimmten Schadstoffs gesenkt, zum Beispiel durch den Einsatz neuer Technologien, beeinflusst dies die anderen Emissionen aus dieser Quelle. Politische Maßnahmen haben das nicht immer hinreichend berücksichtigt. Ein Beispiel: Als die Europäische Union Blockheizkraftwerke und die dezentrale Stromerzeugung förderte, um die CO2-Emissionen zu senken, stieg die Zahl der Kleinanlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung in städtischen Räumen. Diese fielen jedoch nicht unter die Richtlinie zur Kraft-Wärme-Kopplung. Als Folge der laxeren Bestimmungen stieg die Luftverschmutzung in den Städten. Die Autorinnen empfehlen, dass Entscheidungsträger künftig den gesamten Emissionsmix der jeweiligen Quelle berücksichtigen und so abschätzen, wie geplante Maßnahmen Klima, Gesundheit und Ökosysteme beeinflussen.
  2. CO2 und andere Treibhausgase haben eine Verweildauer in der Atmosphäre, die von einem Jahrzehnt bis zu einem Jahrhundert und länger reicht. Daher beeinflussen sie das Klima weltweit. Luftschadstoffe hingegen haben eine Verweildauer von einigen Stunden bis zu mehreren Monaten, ihr Einfluss ist lokal bis regional. Die Verweildauer von emittierten Stoffen ist entscheidend für die Wirkung von Maßnahmen zur Emissionsminderung. Mit einem Beispiel machen die Autorinnen deutlich, wie komplex diese Zusammenhänge sind: So tragen Feinstaub-Konzentrationen mit einem hohen Anteil von Schwefelverbindungen in verschiedenen Regionen Asiens dazu bei, dass Sonnenstrahlen in die Atmosphäre zurück reflektiert werden. Sie haben somit einen abkühlenden Effekt. Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität können daher dazu führen, dass die Temperatur in den betroffenen Regionen bis zum Ende dieses Jahrhunderts um zwei Grad steigt.
  3. Maßnahmen, die ein einzelnes Problem wie den Klimawandel bekämpfen, haben häufig unbeabsichtigte Synergien und Nachteile. Als Beispiel für einen Zielkonflikt nennen die Autorinnen das Verbrennen von Biomasse wie Holz zum Heizen. Dabei sind die Kohlendioxid-Emissionen zwar geringer als bei fossilen Brennstoffen, jedoch entstehen mehr Luftschadstoffe. Politikmaßnahmen sollte deshalb häufiger als bisher eine umfassendere Folgen-Abschätzung vorausgehen.

Künftig mehr Abkommen zur Regulierung von Luftqualität und Klima

Um zu verstehen, wie verschiedene politische Optionen das Klima, die menschliche Gesundheit und die Ökosysteme beeinflussen, müssten alle drei Aspekte berücksichtig werden, betonen die Autorinnen. Wie diese Erwägungen in einen koordinierten Ansatz einfließen können, machen sie anhand des Wasser-Energie-Nahrung-Nexus deutlich. Sie zeigen, wie die Nutzung von Wasser, Energie und Nahrung Luftschadstoff- und Treibhausgasemissionen verursacht und wie im Gegenzug Wasser, Energie und Nahrung durch Luftverschmutzung und Treibhaugase beeinträchtigt werden.

Wasser-Energie-Nahrung-Nexus
Wasser-Energie-Nahrung-Nexus

Die Zahl der regionalen, nationalen und globalen Abkommen zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsproblemen werde in den kommenden Jahren voraussichtlich steigen, erklären die Wissenschaftlerinnen. Viele davon würden die Emissionen von Luftstadtstoffen und Treibhausgasen regulieren. Auch wenn die Verbesserung der Luftqualität und die Abschwächung des Klimawandels bei vielen Maßnahmen nicht das Hauptziel sei, könne die Berücksichtigung von Emissionsmix, Verweildauer, Synergien und Nachteilen zu umfassenderen Maßnahmen führen, die den Nutzen für die Luftqualität und die Bekämpfung des Klimawandels maximieren würden.

Melamed, M. L., Schmale, J., von Schneidemesser, E. (2016): Sustainable policy—key considerations for air quality and climate change. - Current Opinion in Environmental Sustainability, 23, Open Issue, part I, p. 85-91.