Headline: Klima nach Maß? Sonderausgabe würdigt Paul Crutzens Rolle für die Climate-Engineering-Forschung

Paul Crutzen © IASS; D. Ausserhofer
Paul Crutzen © IASS; D. Ausserhofer

Die Idee, das Weltklima mit technischen Eingriffen zu steuern, ist schon einige Jahrzehnte alt. Doch erst 2006 kam die Climate-Engineering-Forschung richtig in Fahrt, als ein Aufsatz des Chemie-Nobelpreisträgers Paul Crutzen in der Zeitschrift Climatic Change erschien. Die Veröffentlichung führte zu einem beispiellosen Anstieg des Interesses an Climate Engineering seitens der Wissenschaft und zu einer höheren Aufmerksamkeit seitens der Öffentlichkeit und der Politik. Den zehnten Jahrestag von Paul Crutzens Beitrag würdigt eine Sonderausgabe in der von der American Geophysical Union herausgegebenen Fachzeitschrift Earth's Future, die von den IASS-Wissenschaftlern Miranda Boettcher und Stefan Schäfer koordiniert wurde. Autoren verschiedener Fachrichtungen reflektieren darin über den Stand der Forschung und mögliche zukünftige Entwicklungen.

Paul Crutzen © IASS; Foto - D. Ausserhofer
Paul Crutzen © IASS; Foto - D. Ausserhofer

Forscher sollten den Sorgen der Bürger Rechnung tragen

„Die Sonderausgabe bietet Lesern in aller Welt – sowohl innerhalb als auch außerhalb des akademischen Bereichs – eine einzigartige Gelegenheit, eine Bilanz der Entwicklungen der Geoengineering-Foschung seit 2006 zu ziehen und die Rolle von Wissenschaft und Gesellschaft bei der künftigen Forschung und der Diskussion der Ansätze zu reflektieren“, sagt IASS-Direktor Mark Lawrence. Gemeinsam mit Paul Crutzen argumentiert er in einem Beitrag dafür, dass Wissenschaftler sich aktiv am gesellschaftlichen Dialog beteiligen sollten. Nur so könnten sie sicherstellen, dass verantwortungsbewusst über die Risiken und Chancen von Climate Engineering geforscht wird.

Mehrere Autoren setzen sich mit der Herausforderung auseinander, Forschung voranzutreiben, die belastbare Ergebnisse über die Auswirkungen von Climate-Engineering-Technologien auf das Klima hervorbringt und gleichzeitig die Risiken für Mensch und Umwelt minimiert. Die Wissenschaftler David Keith und Peter Irvine von der Harvard University analysieren regionale Auswirkungen von Climate-Engineering-Maßnahmen. Sie stellen die Hypothese auf, dass Solar Radiation Management (SRM) – die Reduktion der Sonneneinstrahlung, zum Beispiel durch das aktive Einbringen von Schwefel-Partikeln in die Stratosphäre – so gestaltet werden könne, dass das Gesamtrisiko des Klimawandels gesenkt wird, ohne dass ein einzelnes oder mehrere Länder schlechter gestellt würden. Bisherige Forschungsergebnisse ließen diese Hypothese durchaus plausibel erscheinen, schreiben die Autoren.

Bislang, so Keith und Irvine, hätten sich Wissenschaftler stark darauf konzentriert zu untersuchen, ob SRM die Klimaauswirkungen höherer Treibhausgaskonzentrationen vollständig kompensieren könne. Die Hypothese einer vollständigen Kompensation könne mittlerweile als widerlegt gelten. Sie sei auch für die politische Entscheidungsfindung nicht relevant: Climate Engineering könne eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes nicht ersetzen. Die Politik müsse aber Optionen haben, um die schädlichen Auswirkungen der bisherigen Emissionen zu verringern. Die von ihnen formulierte Hypothese könne daher ein nützliches Instrument sein, um künftige Forschungsaktivitäten zu organisieren.

Wie wirkt sich Climate-Engineering-Forschung auf die Klimapolitik aus?

Pablo Suarez und Marten van Aalst vom Internationalen Klimazentrum des Roten Kreuzes/Roten Halbmonds betrachten, wie sich die Auswirkungen von Climate Engineering aus humanitärer Sicht verteilen. Sie fordern, dass die Forschung ein Rahmenwerk entwickeln müsse, um Risiken für die Menschen, die von den Auswirkungen am stärksten gefährdet wären, zu steuern und zu minimieren. Zu den weiteren Themen der Sonderausgabe zählen die Rolle von Modellen und Simulationen sowie das Risiko, dass Fortschritte in der Climate-Engineering-Forschung den Bemühungen zur Emissionsreduktion einen Dämpfer verpassen könnten.

„Viele dieser Fragen hat Crutzen bereits in seinem Aufsatz von 2006 aufgeworfen. Auch das ist ein Ergebnis dieses Sammelbands: Welch tiefe Einsichten er schon damals hatte. So forderte er dazu auf, Climate Engineering intensiv zu erforschen und damit ein Tabu zu brechen, warnte aber gleichzeitig davor, dass dies nicht dazu verwendet werden dürfte, eine unzulängliche Politik zu kompensieren“, sagt Miranda Boettcher. Insgesamt zeigen die Beiträge die jahrelange intensive Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und politischen Dimensionen von Climate Engineering. Das sei eines der zentralen Merkmale der Climate-Engineering-Forschung, heben Boettcher und Schäfer in ihrer Einleitung zu der Sonderausgabe hervor.

Am IASS untersucht eine Gruppe von Sozialwissenschaftlern, wie eine Bandbreite von Akteuren, Agenden und Wissensbeständen die Entwicklung von Climate Engineering als Vorstellung, als Diskurs und als Politikoption formen. So soll ein besseres Verständnis davon entstehen, wie zentrale Herausforderungen des Anthropozäns in zeitgenössischen Gesellschaften verhandelt und navigiert werden. Über Chancen und Risiken der Climate-Engineering-Forschung diskutieren Wissenschaftler, Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft bei der „Climate Engineering Conference 2017: Critical Global Discussions“ (CEC17), die das IASS als Hauptveranstalter in Kooperation mit mehreren Partnern organisiert und die vom 9. bis 12. Oktober 2017 in Berlin stattfindet.

Link:

The Futures of Climate Engineering