Headline: Kleine Dörfer, großes Engagement: IASS-Konferenz beleuchtet die Rolle der lokalen Ebene in der globalen Klimapolitik

(c) IASS/Norbert Michalke
(c) IASS/Norbert Michalke

Klimafreundliche Städte und Länder schaffen es häufiger in die Schlagzeilen, das Engagement ländlicher Kommunen hingegen findet vergleichsweise wenig Beachtung. Dabei kommt ihnen eine große Bedeutung für den Klimaschutz zu. Und es gibt weltweit viele positive Beispiele solcher Pionierdörfer. Ihre Rolle innerhalb des mehrschichtigen Systems der globalen Klimapolitik beleuchtete am 13. Oktober eine Konferenz am IASS.

In der Gemeinde Feldheim in Brandenburg können sich die Bürger selbst mit Strom und Wärme versorgen – erzeugt in Windkraft- und Biogas-Anlagen. Weil der Stromanbieter ihnen sein Netz nicht verkaufen wollte, bauten die Feldheimer ihr eigenes. Nun leben sie energieautark - und zahlen für ihren Strom viel weniger als der Rest der Republik. „Dies ist möglich geworden mit den Anreizen und Fördersystemen auf verschiedenen Ebenen, die auf der Ebene des Dorfes und in Zusammenarbeit mit der Nachbarstadt wirkungsvoll kombiniert wurden“, sagte Martin Jänicke, langjähriger Direktor des heutigen Forschungszentrums für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin und Senior Fellow am IASS. Er betonte, dass ländliche Gemeinschaften noch stärker von den sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nebeneffekten eines Engagements wie in Feldheim profitierten als Städte.

Yongsheng Zhang vom Zentrum für Entwicklungsforschung des Staatsrates der Volksrepublik China stellte ein Pilotprojekt für grünes Wachstum in der Provinz Hubei vor. Dazu gehören ein integriertes System des Anbaus von Reis und der Zucht von Enten, die Förderung des Tourismus, der Bau von Passivhäusern und Pflanzenkläranlagen sowie eine moderne Abfallentsorgung. „Einige bezeichnen Klimaschutz als Belastung, aber ich möchte nahelegen, dass er tatsächlich ein Motor für Wachstum und eine grüne Wirtschaftsentwicklung sein kann“, sagte Zhang. Eine besondere Rolle spiele in dem Pilotprojekt das Internet, das dabei helfe, neben landwirtschaftlichen Produkten auch Dienstleistungen anzubieten.

Hans-Josef Fell, ehemaliger Bundestagsabgeordneter für die Grünen (1998-2013) und derzeitiger Präsident der Energy Watch Group, machte auf den Zusammenhang von ökologischen und sozialen Entwicklungen aufmerksam. „Die meisten Flüchtlinge kommen aus zerstörten Lebensräumen. Das betrifft sogar Regionen wie Kalifornien, wo Menschen aufgrund der massiven Waldbrände umsiedeln müssen, oder Kolumbien, wo Dörfer dem Kohlebergbau weichen mussten“, erläuterte Fell. Es gebe jedoch Möglichkeiten, betroffene ländliche Gebiete wieder aufzubauen und damit gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Als Beispiele nannte Fell die Begrünung degradierter Flächen mit Hilfe von aus Biomasse gewonnener Biokohle, den Anbau von ölhaltigen Pflanzen wie Jatropha in der Wüste zur Herstellung von Pflanzenölkraftstoffen sowie den Bau von Agrophotovoltaikanalgen. Diese sorgen für eine optimierte Nutzung der begrenzten Ressource Land: Flächen werden gleichzeitig für die Pflanzenzucht und für die Gewinnung von Solarenergie sowie als Schattenspender genutzt.

Einig waren sich die Teilnehmer, dass ländliche Regionen angesichts des Trends zur Urbanisierung Strategien entwickeln müssen, um künftig wettbewerbsfähig zu sein. „Ländliche Gegenden müssen sich auf ein besonderes Merkmal konzentrieren und auf dieser Grundlage eine Strategie zur wirtschaftlichen Entwicklung erarbeiten“, sagte Carlo Jäger, Leiter der Abteilung Grünes Wachstum beim Global Climate Forum. Martin Nesbit vom Institute für European Environmental Policy in London argumentierte, dass ländliche Gemeinschaften eine immer wichtigere Rolle spielten. Denn ihre aktive Zustimmung ist notwendig, wenn die Belastungen durch den Flächenverbrauch von neuen Infrastrukturen für Energie aus erneuerbaren Quellen zunehmen.

In der Schlussdiskussion hob Martin Jänicke hervor, dass ein wirksamer Klimaschutz zunehmend davon abhängig ist, dass Städte und ländliche Gemeinden integrierte Strategien für eine sichere und klimafreundliche Versorgung mit Energie und Nahrungsmitteln entwerfen. Dazu gehört eine Flächenbewirtschaftung, die den Ausbau erneuerbarer Energien, landwirtschaftliche Produktion und die Aufforstung von Gebieten für die Kohlenstoffbindung ermöglicht. Vincent Kitio von UN Habitat wies darauf hin, dass die Stadt-Land-Beziehungen auch ein wichtiges Thema auf der 3. UN Konferenz zu Wohnen und nachhaltiger Stadtentwicklung (HABITAT III) sein wird, die im Oktober 2016 in Quito stattfindet.

Mehr Informationen:

  • Programm und Hintergrundmaterial der Konferenz „The local level in multi-level climate and energy governance: the role of rural communities in an urban age“