Headline: Climate-Engineering-Governance: Sind Foresight- und Szenario-Methoden hilfreich?

istock/Viorika
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In den letzten Jahren wurde mit zunehmender Intensität die umstrittene Idee des Solar Radiation Management (SRM) diskutiert. Dahinter verbirgt sich eine Reihe von hypothetischen Ansätzen, die suggerieren, dass man die Klimaerwärmung und einige ihrer Folgen abmildern könnte, wenn eine kleine Menge des einfallenden Sonnenlichts wieder ins All reflektiert würde. Dies würde zum Beispiel dadurch bewirkt, dass man in der oberen Atmosphäre eine Schicht reflektierender Aerosole erzeugt oder den Reflexionsgrad mariner Wolken erhöht. SRM wird häufig unter dem Oberbegriff „Geoengineering“ oder „Climate Engineering“ subsumiert. Gemeint sind damit gezielte, großangelegte Eingriffe in das Klimasystem, die den Folgen des Klimawandels entgegenwirken sollen.

Unter dem Begriff des Solar Radiation Management diskutieren Forscher Ansätze, einen Teil des einfallenden Sonnenlichts wieder ins All zu reflektieren und damit dem Klimawandel entgegenzuwirken. © istock/Viorika
Unter dem Begriff des Solar Radiation Management diskutieren Forscher Ansätze, einen Teil des einfallenden Sonnenlichts wieder ins All zu reflektieren und damit dem Klimawandel entgegenzuwirken. © istock/Viorika

Aber wie soll SRM ordnungspolitisch gehandhabt werden? Diese Frage steht seit jeher im Mittelpunkt der Debatte. In diesem Zusammenhang hat das IASS gemeinsam mit Foresight Intelligence, einer Beratungsfirma für strategische Planung, soeben das Projekt Solar Radiation Management: Foresight for Governance (SRM4G) abgeschlossen. Ziel des Projekts war es, einen auf der Anwendung von Foresight-Methoden basierenden Ansatz zu entwickeln und zu testen, der die Stärken und Schwächen verschiedener SRM-Governance-Vorschläge untersucht, ohne jedoch konkrete politische Empfehlungen auszusprechen. Bei SRM4G kamen Szenarien zum Einsatz, um das Augenmerk auf einige besondere Annahmen zu richten, die in die Entwürfe zu SRM-Governance einfließen. Dadurch wurden die Gefahren und Chancen hervorgehoben, die als besonders wichtig für Governance gelten, um die politische Landschaft der nahen und ferneren Zukunft erfolgreich navigieren zu können. Wissenschaftler des IASS haben nun ein Working Paper herausgebracht, in dem die Debatten und Erkenntnisse des Projekts aufgearbeitet werden.

SRM existiert nicht in Form ausgereifter Technologien und Einsatzstrategien, sondern nur als Forschungsaktivität im Frühstadium. Die Entwicklung der Hardware ist nicht ausgereift und unskaliert, Regierungen haben zur Anwendung oder auch nur zur Notwendigkeit von Sondierungsforschung noch nicht Stellung genommen. Falls SRM in die komplexe Landschaft der Themen, Akteure und Agenden der Weltpolitik vordringt, können in jedem Stadium, von der Forschung und Innovation bis zur Umsetzung, Herausforderungen entstehen. Bei den meisten dieser Herausforderungen – angefangen mit der Sorge, dass die Aussicht auf SRM Emissionsreduktionsmaßnahmen schwächen könnte bis zu den Auswirkungen für die Sicherheit von Staaten und Menschenleben – greifen gesellschaftliche, technische und ökologische Dimensionen ineinander und könnten eine Abfolge von Ereignissen auslösen, die sich nicht konkret vorhersagen lässt.

Gerade weil SRM-Techniken noch nicht existieren und die Kapazitäten zur Modellierung ihrer Auswirkungen begrenzt sind, sind Governance-Vorschläge nicht unbedingt auf die Realität abgestimmt, sondern auf Möglichkeiten – also auf eine Reihe von Chancen und Risiken, die häufig Komponenten von soziotechnischen Zukunftsvisionen sind.

Unter Teilnahme von in der SRM-Governance-Debatte etablierten Wissenschaftlern und Praktikern kamen im Rahmen des SRM4G-Projekts Methoden der Szenariokonstruktion zum Einsatz, um vier fiktionale alternative Zukunftsvisionen für das Jahr 2030 zu erzeugen, basierend auf Unsicherheiten, die nach Einschätzung der Teilnehmer das stärkste Potenzial zur Gestaltung globaler Strategien besitzen, um in den nächsten 15 Jahren dem Klimawandel zu begegnen. Die detailreichen Handlungsstränge und Akteurlandschaften eines jeden Szenarios übten unterschiedlichen Einfluss auf die Herausforderungen aus, die mit der Entwicklung von SRM-Technologien verbunden sind: von einer instabilen, multipolaren Welt, in der die Folgen des Klimawandels und das aus ihnen resultierende Leid ungleich verteilt sind, bis hin zu einer internationalen Ordnung, in der Durchbrüche im Bereich der erneuerbaren Energien SRM obsolet gemacht haben. Die Szenarien lieferten dann den Kontext sowohl für den Entwurf von Governance-Systemen, die geeignet und legitimiert erscheinen, auf die in den Szenarien anvisierten Herausforderungen zu reagieren, als auch für die Bewertung der Vor- und Nachteile verschiedener Optionen vor dem Hintergrund eines breiten Spektrums imaginärer, aber möglicher Zukünfte.

Dabei bemühte sich SRM4G, innerhalb der Climate-Engineering-Forschergemeinde ein Gespräch über die Möglichkeiten und Grenzen von Foresight-Methoden anzustoßen und in der Debatte um Nutzen und Risiken von SRM die Bedeutung von Vorstellungswelten und Zukunftskonzeptionen zu beleuchten. Gleichzeitig ging es aber auch darum, die Annahmen zu überprüfen und zu hinterfragen, die in die Konzeption der Ziele, Entwicklung und Governance von SRM einfließen. Zudem galt es, die Kapazität (und Notwendigkeit) von Governance-Optionen zu erörtern, die auf ein breites Spektrum von Möglichkeiten anwendbar sind. Die in dem Working Paper dargestellten Szenarien liefern Material für künftige Forschung und könnten zur Prüfung von vorhandenen Governance-Vorschlägen genutzt werden, um sie angesichts hoher Unsicherheit solider und umfassender zu gestalten. Die Teilnehmer erklärten, das Projekt habe ihnen eine sinnvolle Neu-Kontextualisierung von SRM-Technologien ermöglicht, das interdisziplinäre Lernen erleichtert, vorgefasste Meinungen infrage gestellt und einige neue innovative Ideen ans Licht gebracht. Wie ein Teilnehmer es ausdrückte, hat der Prozess die Präzision des Nachdenkens über die Zukunft, und wie sie sich entwickeln könnte, gefördert.

Die im Nachhinein formulierten Reflektionen der Teilnehmer über Verlauf und Ergebnisse des Projekts zeigen, dass angesichts der unzähligen Unsicherheiten, die mit Climate-Engineering-Governance verbunden sind, die Entwicklung von Szenarien sinnvoll erscheint und überdies eine zukunftsorientierte Kommunikation innerhalb der SRM-Forschergemeinde anstoßen kann.

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