Headline: Bürgerbeteiligung in der Energiewende: Forscher von KWI und IASS legen Empfehlungen vor

Projekt Demoenergie

Bürgerbeteiligung bei der Energiewende ist das Thema des Projektes Demoenergie. © IASS/KWI/Sabine Söder, CoCreative Flow
Bürgerbeteiligung bei der Energiewende ist das Thema des Projektes Demoenergie. © IASS/KWI/Sabine Söder, CoCreative Flow

Eine Mehrheit der Bevölkerung stimmt der Energiewende prinzipiell zu. Dennoch stoßen Projekte wie der Bau von Windrädern oder Stromtrassen häufig auf Ablehnung unter Anwohnern, Bürgerinitiativen, Kommunen und Vertretern auf Länderebene. Zur Akzeptanz von Infrastrukturprojekten können Verfahren der Bürgerbeteiligung beitragen. Was sind die Bedingungen für gelungene Beteiligung? Dieser übergreifenden Frage sind Wissenschaftler des IASS und des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen (KWI) seit 2011 in ihrem Projekt Demoenergie nachgegangen. Zum Abschluss des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundvorhabens stellten die beteiligten Wissenschaftler am 15. und 16. Februar am IASS ihre Forschungsergebnisse vor und diskutierten sie mit Vertretern von Landesministerien und Behörden, Unternehmen und aus der Zivilgesellschaft, mit Prozessgestaltern und Moderatoren sowie Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen.

Bürgerbeteiligung bei der Energiewende ist das Thema des Projektes Demoenergie. © IASS/KWI/Sabine Söder, CoCreative Flow
Bürgerbeteiligung bei der Energiewende ist das Thema des Projektes Demoenergie. © IASS/KWI/Sabine Söder, CoCreative Flow

An der Energiewende kann sich die Demokratie bewähren

„Die Energiewende ist einer der wichtigsten Partizipationsprozesse der Gegenwart. Eine besondere Herausforderung ist dabei, dass Entscheidungsträger einerseits eng planungsbezogen Akzeptanz, zum Beispiel für den Netzausbau, durch Beteiligung erzeugen wollen, andererseits aber die Bürger viele Dinge auf dem Herzen haben und auch diskutieren wollen, die die Energiewende als Ganzes betreffen. Wie dieser Spagat gelingen kann, war bislang kaum erforscht“, erläuterte Patrizia Nanz, Leiterin des Schwerpunktes „PartizipationsKultur“ am KWI und designierte IASS-Direktorin. Gemeinsam mit KWI-Direktor Claus Leggewie und IASS-Gründungsdirektor Klaus Töpfer hatte sie die Idee für Demoenergie entwickelt.

Die drei Initiatoren teilen die Ansicht, dass Deutschland die Energiewende meistern soll und dass Bürger die Möglichkeit bekommen müssen, sich an dieser Energiewende zu beteiligen. „Die Deutschen muss man noch davon überzeugen, dass die Energiewende etwas mit Demokratie zu tun hat. Die meisten gehen nämlich davon aus, dass es um gute Planung geht. Aber die Demokratie ist da gefordert, wo es schwierig ist, insofern ist die Energiewende auch ein Stück Anschauungsmaterial, wie sich Demokratie bewähren kann“, sagte Claus Leggewie.

Individuell gestaltete Beteiligungsprozesse für jeden Fall

Ein Schwerpunkt des Projekts war es, Beteiligungsprozesse nicht nur zu erforschen, sondern diese gemeinsam mit Akteuren aus der Praxis zu initiieren und durchzuführen. Zwei Beteiligungsprozesse haben die Wissenschaftler des KWI am „Ostbayernring“ mit dem Stromnetzbetreiber TenneT TSO angestoßen, durchgeführt und begleitet. Erkenntnisse des Projektes sind als Thesen in einer Publikation zur Abschlusskonferenz präsentiert. „Wichtig ist uns, dass Bürgerbeteiligung nicht allein als ein Anwenden verschiedener Formate wie World Café und Zukunftskonferenz verstanden wird“, betonte Ina Richter vom IASS. Vielmehr finden hier Prozesse statt, an denen und auf die verschiedene Akteure maßgeblich einwirken. Sie beeinflussen, wie Beteiligungsprozesse gestaltet sind (Welche Ziele werden verfolgt? Wer wird beteiligt?), wie sie verlaufen und welche Ergebnisse sie zeitigen. Für jede Situation ist daher individuell ein Beteiligungsdesign zu entwickeln.

Die Rolle von Wissenschaftlern dabei sei es, die Bürger mit dem notwendigen Systemwissen vertraut zu machen, damit sie in der Diskussion mit Verwaltung und Vorhabensträgern Standpunkte vergleichen und abwägen können. Vor allem sollten sie befähigt werden, häufig vorgebrachte Argumente – etwa: „Das haben wir schon 100 Mal versucht, das hat noch nie geklappt!“ – zu hinterfragen, sagte IASS-Direktor Ortwin Renn in der Abschlussdiskussion. Handlungsspielräume seien schließlich nicht von vornherein gegeben, sondern würden von den Beteiligten geschaffen.

Einrichtung einer „Finanzierungs-Stiftung“ als möglicher nächster Schritt

Neben den Lehren aus Demoenergie diskutierten die Teilnehmer der Konferenz auch über Zukunftsperspektiven. Einerseits ging es um konkrete nächste Schritte wie die Einrichtung einer „Finanzierungs-Stiftung“ und von öffentlichen Stellen, die für Beteiligungsprozesse verantwortlich sind. Genannt wurde auch eine stärkere Kooperation der Behörden mit Unternehmen als Vorhabenträger von Infrastrukturprojekten. Mit Blick auf die Entwicklung einer Beteiligungskultur stellt sich andererseits die Frage, in welchem Maße wir die Arbeitsteilung in Verwaltungen beibehalten wollen, wie sie gegenwärtig praktiziert wird.

Einen ausführlichen Überblick über den Diskussionsverlauf an beiden Konferenztagen illustriert die grafische Dokumentation, die hier eingesehen werden kann.

Weitere Ergebnisse sind in einem IASS Working Paper und auf den Projektwebseiten zugänglich: