Headline: Neue IASS-Publikation untersucht internationalen Verhaltenskodex für die Forschung zu Climate Engineering

Bei internationalen Klimagesprächen werden ebenso wie auf nationaler und subnationaler Ebene bedeutende Fortschritte für den Umgang mit Ursachen und Folgen des Klimawandels erzielt. Dennoch argumentieren einige Wissenschaftler, dass noch mehr unternommen werden müsse, um das Ansteigen der Temperaturen in diesem Jahrhundert abzuschwächen. Sie haben daher begonnen, als zusätzliche Bewältigungsstrategie gezielte, groß angelegte Eingriffe in die Umwelt des Planeten zu diskutieren. Aber selbst die theoretische Beschäftigung mit Climate Engineering kann zu Kontroversen führen, und Feldversuche bergen die Gefahr, die Umwelt zu schädigen. Deshalb wurde die Entwicklung von politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Climate Engineering gefordert.

Eine neue Studie der IASS-Rechtsexperten Anna-Maria Hubert und David Reichwein liefert eine umfassende Untersuchung zu einem möglichen internationalen Verhaltenskodex zur Climate-Engineering-Forschung. Das IASS Working Paper mit dem Titel „An Exploration of a Code of Conduct for Responsible Scientific Research Involving Geoengineering“ erscheint in Zusammenarbeit mit dem Institute for Science, Innovation and Society (InSIS) der University of Oxford.

Die originäre Leistung des IASS Working Paper liegt in seinen Leitlinienentwürfen, ergänzt durch Kommentare, die einen Beitrag zur Entwicklung eines Verhaltenskodex für die Climate-Engineering-Forschung darstellen können. Dieser greifbare Schritt vorwärts wird gestützt durch einen umfassenden Überblick zur bestehenden internationalen Rechtsordnung, der auf einem wachsenden Bestand an Forschungsarbeiten zu diesem Thema aufbaut. Das Working Paper erörtert bedeutende Rechtsbegriffe, Rechtsgrundsätze und gesetzliche Verfahren, die für Climate Engineering relevant sind, und konzentriert sich auf kurzfristige Perspektiven wissenschaftlicher Forschung im Freiland. Diese vorläufige rechtliche Analyse integriert die Sichtweisen anderer Wissenschaftler aus den Natur- und Gesellschaftswissenschaften sowie von Akteuren aus Regierungsbehörden und Organisationen der Zivilgesellschaft.

Einer der in den Leitlinienentwürfen erörterten Punkte ist die Form der Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungen zum Climate Engineering. Obwohl die Techniken unter dem Sammelbegriff „Geo-Engineering” oder „Climate Engineering” – von der Injektion von Partikeln in die Stratosphäre bis zur Ozeandüngung – äußerst komplex sind, betont der Entwurf des Artikels 15, dass sich die Debatte dieser Ansätze nicht auf die Welt der Wissenschaft beschränken darf. Daher fordert er für verschiedene Stadien des Forschungsprozesses, einschließlich möglicher Feldversuche, eine Beteiligung und Konsultation der Öffentlichkeit. Die Kommentare zu diesem Artikelentwurf fassen Status und Inhalt des Prinzips der öffentlichen Beteiligung zusammen und verweisen auf die inhärenten Herausforderungen seiner Anwendung auf Forschungsvorhaben zum Climate Engineering. Was kann unternommen werden, um dafür zu sorgen, dass partizipative Strukturen, sobald sie aufgebaut sind, auch greifen? Wer genau sollte konsultiert werden? Die Menschen, die durch ein vorgeschlagenes Experiment direkt betroffen sind, oder die breitere Öffentlichkeit? Und wie können gewöhnliche Bürger an einer Debatte um technische Details des Geo-Engineering teilnehmen, die sie womöglich nicht ganz verstehen?

Professor Mark Lawrence, wissenschaftlicher Direktor am IASS, sieht in dem Working Paper einen maßgebenden, ausgewogenen Vorstoß in der Debatte um Climate Engineering: „Climate Engineering braucht, als hochkontroverses Thema, einen wirksamen rechtlichen Rahmen sowohl für die Forschung als auch für eine etwaige künftige Anwendung, wenn sie so erfolgen soll, dass Umweltfolgen berücksichtigt und die Rechte der zahllosen Menschen geachtet werden, die von einer beliebigen Maßnahme aus der ganzen Fülle der zurzeit erörterten Techniken betroffen wären. Diese Studie zu einem Verhaltenskodex liefert uns wertvolle Einsichten zu der Frage, wie wir es anpacken können, die Forschungstätigkeit zum Climate Engineering durch effektive Rahmenbedingungen zu regulieren.” Lawrence betonte, dass es bei der Erforschung der Frage, wie wirksame politische und rechtliche Rahmenbedingungen aussehen sollten, nicht darum gehe, einer künftigen Anwendung den Weg zu ebnen, sie in irgendeiner Weise zu ermuntern oder auch ein Forschungsmoratorium zu verhängen. Letzteres könne dazu führen, dass Verantwortliche kritische Entscheidungen treffen müssen, ohne angemessene Informationen zu der ganzen Bandbreite an Folgen, Nebenwirkungen, Unsicherheiten und Risiken zu besitzen, die unterschiedliche vorgeschlagene Climate-Engineering-Techniken bergen.

Die Idee eines Verhaltenskodex geht auf den einflussreichen Bericht „Geoengineering the Climate“ der britischen Royal Society zurück, der einen „international abgestimmten (aber zunächst freiwilligen) Verhaltenskodex und ein Zulassungsverfahren für Geo-Engineerung-Forschung” für wünschenswert erachtete. Seither wurden bei der Entwicklung politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen für Climate Engineering wichtige Meilensteine erreicht. 2009 regten Wissenschaftler der Universität Oxford fünf maßgebliche Prinzipien für die Regulierung von Climate Engineering an – die „Oxford Principles” -, die später im Ausschuss für Wissenschaft und Technik im britischen Unterhaus befürwortet wurden. International hat die Biodiversitäts-Konvention mehrere unverbindliche Entscheidungen zum Climate Engineering übernommen. Einen besonders wichtigen Schritt unternahmen ferner die Unterzeichnerstaaten des Londoner Protokolls, eines Übereinkommens über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen. Sie einigten sich 2013 auf einen Zusatzartikel zur Regulierung von Ozeandüngung und anderen künftig möglichen Geo-Engineering-Tätigkeiten in den Meeren.

Ungeachtet der bedeutenden Fortschritte bestehen nach wie vor Lücken in den existierenden politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem im Hinblick auf Climate-Engineering-Ideen, die in die Atmosphäre eingreifen, wie etwa die Injektion von Aerosolen in die Stratosphäre. Überdies besteht die Notwendigkeit, eine sektor- und systemübergreifende Harmonisierung auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene anzustreben.

Anna-Maria Hubert, Hauptautorin des Working Paper, erklärte, dass „Climate Engineering nicht in einem juristischen Vakuum existiert”. Selbst wo Gesetze nicht unmittelbar greifen, dürfe man nicht vergessen, dass der Problembereich in einem umfangreichen Korpus internationaler Normen angesiedelt ist, die in einem klaren Zusammenhang mit dem Aufbau einer angemessenen Regulierungsarchitektur für Climate-Engineering-Forschung stehen. Auch betonte sie, dass der Entwurf eines Verhaltenskodex nicht beansprucht, das letzte Wort zum Climate Engineering zu sein, sondern weitere Forschung zum Thema Regulierung, kritische Debatten und neue Verfahren anregen möchte.

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21.05.2015