Headline: Bürgerbeteiligung bei der Energiewende ist wichtig – Ergebnisse einer Umfrage unter Stadtwerken

Forschungsprojekt "DEMOENERGIE"

(c) KWI/Jochen Lukas
(c) KWI/Jochen Lukas

Kommunale und regionale Energieversorger messen der Bürgerbeteiligung für den Erfolg der Energiewende große Bedeutung bei. Das zeigen erste Auswertungen einer Umfrage, die das IASS gemeinsam mit dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) im März 2015 unter den Stadtwerken im VKU durchgeführt hat. 91 Prozent der Befragten schätzen die Bürgerbeteiligung für das Gelingen der Energiewende als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ ein. Insgesamt beteiligten sich von 765 angefragten Unternehmen knapp 100 und damit 13 Prozent.

Das Forschungsprojekt „DEMOENERGIE – Die Transformation des Energiesystems als Treiber demokratischer Innovationen“ untersucht verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung. © KWI/Jochen Lukas
Das Forschungsprojekt „DEMOENERGIE – Die Transformation des Energiesystems als Treiber demokratischer Innovationen“ untersucht verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung. © KWI/Jochen Lukas

Die Umfrage ergab, dass fast die Hälfte der befragten Unternehmen in den letzten zehn Jahren Erfahrungen mit der Einbeziehung von Bürgern in Planung, Bau und Betrieb von Energieinfrastrukturprojekten gesammelt haben- vor allem in den Bereichen Solarstrom (67 Prozent), Windenergie (35 Prozent) und Biomasse (28 Prozent). IASS-Exekutivdirektor Klaus Töpfer sieht dies als positives Signal: „Dass bereits jedes zweite befragte Stadtwerk Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung bei der Energiewende gemacht hat und diese als wichtig bis sehr wichtig wertet, freut mich besonders. Nur durch eine solche Teilhabe kann die weitere Umsetzung der Energiewende als Gemeinschaftswerk gelingen. Zugleich ist die Energiewende das Feld, in dem Formen der Bürgerbeteiligung maßgeblich ausprobiert und weiterentwickelt werden können.“

Von finanzieller Teilhabe bis zum Runden Tisch – Bürgerbeteiligung hat viele Formen

VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck bezeichnete die Energiewende als immense Infrastrukturaufgabe, die gesamtgesellschaftlich zu stemmen sei. „Die Ausführung ist technisch komplex und macht Eingriffe in die Landschaft notwendig, etwa durch den Bau von Erneuerbaren-Energien-Anlagen oder Stromtrassen. Das fordert den anwohnenden Bürgern Zugeständnisse ab. Bürgerbeteiligung ist ein Weg, auf dialogorientierte Weise gemeinsame und für alle Akteure tragbare Lösungen zu finden“, sagte er.

Bei der Umfrage ging es um eine Einschätzung der Bedeutung von Bürgerbeteiligung für die Energiewende und um konkrete Erfahrungswerte bei der Planung und Realisierung von Energieinfrastrukturprojekten. Dabei wurde Bürgerbeteiligung im ersten Teil der Befragung bewusst breit definiert, um Erfahrungen mit Ansätzen der finanziellen Teilhabe zum Beispiel über Sparbriefe zu erfassen, aber auch mit der informellen, gesetzlich nicht geregelten Bürgerbeteiligung. Ein Teil der Befragung ging spezifisch auf die Beteiligungspraxis der informellen Bürgerbeteiligung ein, zum Beispiel mittels Runden Tischen, Zukunftskonferenzen oder Bürgerversammlungen. „Bei diesem hohen Anteil an informeller Beteiligung ist es umso wichtiger, mehr über das Verständnis und die Praxis der von den Unternehmen durchgeführten Beteiligungsprozesse zu erfahren. Bislang liegen dazu kaum empirische Daten vor“, sagte Ina Richter, Wissenschaftlerin im Projekt DEMOENERGIE am IASS.

Bürgerbeteiligung beruht meist auf Eigeninitiative der Unternehmen

Als weiteres interessantes Ergebnis zeigt die Umfrage, dass bei 86 Prozent der Unternehmen die Entscheidung, die Bürger in geplante Energieinfrastrukturvorhaben einzubinden, auf eigener Initiative beruht. 48 Prozent gaben an, dass die Kommune als Eigentümerin eine große Rolle bei der Entscheidung gespielt habe. Finanzielle Gründe nannte nur circa jedes fünfte Unternehmen als Beweggrund, die Bürger an Energieinfrastrukturprojekten zu beteiligen. Auch in Zukunft werden nach Einschätzung der Befragten die Initiative der Unternehmen und die Entscheidungen der Kommunen die wichtigsten Auslöser für die Beteiligung von Bürgern an Energieinfrastrukturprojekten bleiben.

Der VKU ist Praxispartner des Projekts „DEMOENERGIE – Die Transformation des Energiesystems als Treiber demokratischer Innovationen“, das vom BMBF gefördert und vom IASS zusammen mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) durchgeführt wird. Das Projekt geht der Frage nach, wie Bürger an der Gestaltung der Energiewende beteiligt werden können. Dabei geht es nicht um Formen der finanziellen Teilhabe, sondern der dialogorientierten Bürgerbeteiligung.

IASS-Forscher erstellen „Landkarten“ der Bürgerbeteiligung

Von den Wissenschaftlern am KWI werden dafür Beteiligungsprozesse zur Planung von Höchstspannungsleitungen entwickelt, angewendet und erforscht. Hier stehen unter anderem Fragen nach Bedingungen, unter denen Beteiligungsprozesse gelingen, im Zentrum der Forschungsarbeit (mehr unter www.demoenergie.de). Das Demoenergie-Team möchte nicht nur Formate der dialogorientierten Beteiligung weiterentwickeln, testen und evaluieren, sondern auch mehr darüber erfahren, was sich bereits in der Praxis tut. Denn hier findet bereits eine Reihe von Beteiligungsverfahren statt, vor allem auf der lokalen Ebene. Beteiligungsansätze unterscheiden sich dabei teilweise gravierend voneinander, nicht nur mit Blick auf die Zielstellung, sondern zum Beispiel auch bezüglich.

  • des Anwendungsbereiches, wie Windenergie oder Netzausbau
  • der gewählten Methoden und der Komplexität von Verfahren
  • der Rollen, die Interessengruppen und vor allem auch Bürger darin einnehmen
  • der Intensität, mit der Bürger beteiligt werden..

Im Rahmen der Forschungsarbeit am IASS begeben sich die Wissenschaftler auf „Spurensuche“, um einen ersten Überblick über die Beteiligungslandschaft im Kontext der Energiewende in Deutschland zu gewinnen. Als ein Ergebnis der dreijähren Arbeit sollen vielfältige Beteiligungsansätze im Rahmen der Energiewende nach verschiedenen Kriterien erfasst und in Form einer Visualisierung der Verbreitung von Beteiligungsverfahren auf einer Karte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

17.06.2015