Headline: Buchpräsentation: „Wachstum über alles?“

Warum gilt für viele Wirtschaftsjournalisten Wachstum immer noch als die Lösung aller Probleme? Der WirtschaftsWoche-Redakteur Ferdinand Knauß ist der Entstehungsgeschichte des Wachstumsparadigmas in der Wirtschaftspresse auf den Grund gegangen.

Kritik gilt zwar als vornehmste Pflicht des Journalismus. Doch wenn es um Wirtschaftspolitik geht, werden allenfalls die Mittel, aber fast nie der Zweck kritisiert: Es soll in jedem Jahr mehr erwirtschaftet werden als zuvor. Und die Politik hat die Bedingungen dafür zu schaffen, sonst gilt sie als gescheitert. Was in den Politik- und Wirtschaftsressorts wie eine ewige Selbstverständlichkeit präsentiert wird, ist tatsächlich ein Paradigma, eine historisch entstandene Konstellation bestimmter Werte und Überzeugungen. Wie und warum sich das Wachstumsparadigma im Wirtschaftsjournalismus ausbilden, festigen und bis heute halten konnte, zeigt der Historiker und Journalist Ferdinand Knauß in seinem Buch „Wachstum über alles? Wie der Journalismus zum Sprachrohr der Ökonomen wurde“.

Die Ursprünge der Symbiose von Ökonomen, Politikern und Wirtschaftsjournalisten sind bis in die krisengeschüttelten 1920er Jahre zurückzuverfolgen. Der Durchbruch des  Wachstumsparadigmas in der Wirtschaftspresse erfolgte dann in den ersten drei Nachkriegsjahrzehnten, wie Ferdinand Knauß anhand einer historischen Analyse der Zeit, des Spiegel und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zeigt. Seine These: Dem Wirtschaftsjournalismus fehlt bis heute die kritische Distanz zur Standard-Ökonomie. Wäre sie präsent, würde schnell offenbar, dass die Voraussetzungen für die Entstehung des Wachstumsparadigmas heute längst nicht mehr gelten.

Knauß’ Untersuchung historischer und zeitgenössischer Artikel und Interviews mit renommierten Journalisten zeigen, dass der Schlüssel zu einem kritischeren Wirtschaftsjournalismus in dessen Emanzipation von der Standard-Ökonomie liegt. Das Buch „Wachstum über alles“ schrieb er als Fellow am IASS. Am 21. September stellt er es in der stratum lounge in Berlin vor. Über seine Thesen diskutiert Ferdinand Knauß mit IASS-Direktor Prof. Dr. Ortwin Renn sowie dem Leiter der Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Dr. Rainer Hank. Obwohl der Frankfurter Journalist in dem Buch als positives Beispiel genannt wird, steht er Knauß‘ Thesen kritisch gegenüber: Er sagt, er teile „weder die Wachstumskritik noch die Breitseite gegen die Wirtschaftsredakteure“. Beste Voraussetzungen für eine spannende Diskussion also!